Vorstellungen der Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Claymore
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

OT von hier.
Thaddäus hat geschrieben: So 11. Dez 2022, 18:50Öhm ?
MIR tat sich die Diskrepanz BEI DIR auf, dass es DIR einen Unterschied macht, ob man an etwas glaubt, das (vermeintlich nur) eine Idee ist oder ob man an etwas glaubt, das ("tatsächlich") existiert als "reale" Wesenheit in diesem Universum.
Ja, natürlich, da hast du mich schon korrekt verstanden.

Ich habe mich nur gefragt, was diese komischen Versuche, Religion irgendwie in ein naturalistisches Weltbild harmonisch einfügen zu wollen, motiviert?

Warum kann man nicht wie "die guten alten Atheisten" einfach sagen, dass Gläubige an etwas glauben, was nicht existiert, und es dabei belassen?
Ich denke, dass Zahlen oder Integrale so real sind wie Tische, Backsteine und Harry Potter. Der springende Punkt ist: Was versteht man darunter, wenn man sagt, dass etwas existiert? Man muss dann zurückfragen: "In welchem Sinne existiert es?"
Der Tisch, an dem ich schreibe, existiert selbstverständlich anders, als Zahlen oder Harry Potter existieren, aber beides existiert UND ES GIBT KEINE ABSTUFUNGEN DER EXISTENZ. Harry Potter spielt ökonomisch eine weitaus größere Rolle als mein Tisch! Mit Harry Potter verdient man Milliarden, mit meinem Tisch (oder reeellen Zahlen) nicht.

In der Frage, was eigentlich Existenz ausmacht, bin ich eine Schülerin von Markus Gabriel (kein ausgewiesener analytischer Philosph, insbesondere, weil er den Naturalismus ablehnt, aber er verwendet Methoden der analytischen Philosophie und versucht normalerweise auch so präzise zu sein in seinen Argumentationen, wie analytische Philosophen), und teile seine Konzeption einer Sinnfeldontologie und eines neutralen Realismus. Ich erkläre bei Gelegenheit, worum es sich da handelt.
Ich bin der letzte, der hier wie Hiob / closs eine "reale, tatsächliche, wirklich-WIRKLICHE Existenz™" propagiert. Argh, da flammt meine PTBS auf, wenn ich an die absurde closs-Philosophie zurückdenke und die sinnlosen Diskussionen mit dem Betonkopf dazu...

Also von mir aus können wir mit der Gabriel-Ontologie weitermachen. Ich kann nur den Kult um Gabriel nicht so nachvollziehen. "eine Schülerin von Markus Gabriel", ach je. ;-)

Denn sein Ansatz kann die Motivation hinter dem klassischen Ansatz nicht auflösen. Nämlich, dass gewisse Dinge nur parasitär oder sekundär zu etwas anderem zu existieren scheinen.

Ein Loch im Schweizer Käse wirkt nun mal intuitiv weniger real, denn wenn der Käse weg ist, ist auch das Loch weg (aber nicht umgekehrt). Ich denke, man muss diese vor-theoretische Intuition ernst nehmen. Nicht in der alten schwarz-weiß-Manier, aber zumindest an irgendeinem Punkt muss dazu was gesagt werden.

Da kann man tausendmal in Großbuchstaben "UND ES GIBT KEINE ABSTUFUNGEN DER EXISTENZ" schreiben. Existenz ist in gewissen Sinnfeldern einfach verdammt langweilig. Und dazu gehört als Nr. 1 das Sinnfeld einer fiktionalen Geschichte.

Naja, in dem Videospiel Demon's Souls, 2020, gibt's einen verschlossenen Raum. Und alle Spieler suchten erstmal verzweifelt nach dem Schlüssel. Das war das große Geheimnis. Sie zweifelten schon daran, dass der Schlüssel überhaupt existiert.

Aber nach zwei Wochen fand doch jemand heraus, dass er tatsächlich über eine extrem komplizierte Methode an den Schlüssel herankommen konnte. Er schloss den Raum auf und fand darin eine einzigartige Rüstung.

Wenn ich das nun erzähle, dann verwende ich selbstverständlich "sein", "existieren", "tatsächlich" bzgl. dieses legendären Schlüssels (sonst würde ich wahnsinnig werden).

Ich denke, ich sehe aber einen Unterschied zwischen Objekten in Videospielen und fiktionalen Entitäten, da bei ersteren eine sehr enge, ja engste Verbindungen zu mir (dem Spieler) und der virtuellen Welt (Schlüssel schließt die Tür auf) hergestellt wird.

Bei einem fiktionalen Charakter wie Harry Potter ist das nicht der Fall. Also eine unglaublich langweilige Existenzform. :yawn: Außer für die Autorin. Dass J.K. Rowling mit Harry Potter Geld machen kann, liegt übrigens allein an menschlichen Gesetzen. Sonst könnte jeder seine eigene Fanfiction publizieren, evtl. besser und erfolgreicher als das Original. Ich mein, "Fifty Shades of Grey" war ursprünglich Twilight-Fanfiction.

Am Ende ist Demon's Souls natürlich nur ein Spiel auf einem physischen Gerät, der PS5. Eine virtuelle Welt, die parasitär abhängig von unserer äußeren Welt existiert. Aber das ist nicht mal das entscheidende. Sondern dass alle virtuellen Welten in ihrer Informationsdichte extrem massiv hinter der äußersten uns bekannten zurückstehen.

"Sind die res extensae real oder Vorstellung?" ist eine sehr dumme, unsinnige Hiob-Frage. Sie sind halt pragmatisch verdammt real. Aber was die interessanten philosophischen Fragen angeht, also Gott und Seele, macht's keinen Unterschied ob unsere Welt noch in einer anderen verschachtelt ist. Es ist auch entgegen Hiob's Behauptungen für die Naturwissenschaft 100% irrelevant.
Claymore hat geschrieben: Sa 10. Dez 2022, 17:31 Die Menschen richten sich nach der Idee Gottes aus, aber geraten durch Betrug, Verwirrung oder Selbstbetrug in die Situation, wo sie "Gott" wörtlich nehmen?
Genau das ...!
Daran glaube ich keine Sekunde. Belege?
Claymore hat geschrieben: Sa 10. Dez 2022, 17:31 Ich finde diesen Gedankengang wirklich ganz seltsam. Denn der Unterschied zwischen der Idee von einer Sache und der Sache selbst könnte größer nicht sein. Wie kann man da eine Verwechslung unterstellen?
An eine Idee zu glauben ist exakt so real wie an ein physisch in der Raumzeit existierendes Objekt zu glauben. Es geht in diesem Falle um den Glauben: nicht woran geglaubt wird.
Sehe ich nicht so. Üblicherweise steckt hinter "Ich glaube an die Idee <x>" nicht bloß ein Glaube, dass die Idee in mindestens einem menschlichen Geist gedacht werden kann. Das wäre praktisch selbst-beweisend, denn zumindest ich habe in dem Moment als ich den Gedanken ausformulierte an die Idee gedacht.

"Ich glaube an die Idee <x>" bedeutet doch, dass <x> Idealbild ist oder verwirklicht werden sollte.
So wie in "Ich glaube an die Idee der europäischen Einigung".
Daniel Dennett ist zwar ein analytischer Philosoph, aber ich halte ihn dennoch für einen Trottel.
Er schreibt ein ganzes Buch darüber, warum es eine suggestive Selbsttäuschung sein soll (intuition pump), den hervorragenden Geschmack eines Weines zu genießen. Er versucht im Ernst nachzuweisen, was wir schmecken oder allgemein für qualitative Empfindungen haben (Qualia), ist nichts außer einer merkwürdigen Einbildung. Bei aller Liebe: der Mann ist ein Idiot! Ein Orgasmus mag eine neuronal und physikalisch interessante und aufschlüsselbare Angelegenheit sein: aber am Ende interessiert mich doch nicht, welche Nervenfasern und Neuronen in meinem Gehirn wie messbar stark gefeuert haben (das haben sie ganz sicher und war die materielle Grundlage meines Empfindens), aber das Maßgebliche ist am Ende die qualitative Empfindung, die in Abrede zu stellen ich mir bitteschön verbitte! ;)
Seine Ansichten sind meinen diametral entgegen gesetzt. Ich denke nicht, dass er ein Idiot ist. Er kann ein guter Philosoph sein, wenn er will. Leider kommt ihm sein Charakter in die Quere.

Er ist ziemlich sophistisch und aalglatt. Und wichtigtuerisch, herablassend.

Wirklich klar hat er meines Wissens nie gesagt, dass qualitative Empfindungen eine Illusion sind. So transparent würde er Schwachpunkte in seiner Philosophie eher nicht darlegen. Ok, vielleicht ist es ihm mal rausgerutscht. Generell eiert er zwischen Funktionalismus und eliminativem Materialismus herum.
Zuletzt geändert von Claymore am Sa 17. Dez 2022, 19:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Die Einschränkung bei Computerbeweisen besteht darin, dass Computer bzw. automatische Beweiser nicht kreativ sind. Auf die Idee, die unterschiedliche Mächtigkeit rationaler und reeller Zahlen durch Diagonal-Beweise zu beweisen, muss man ja erst einmal kommen. Und genau da versagen die Maschinen in der Mathematik.
Ich frage mich immer, woher du das alles weißt.

Du argumentierst hier nur aus einer Intuition heraus, die bestenfalls eine Heuristik liefert, in welche Richtung du weiter denken solltest. Aber das Argument muss am Ende doch nachgeliefert werden.

Selbst wenn du "Kreativität" sauber definieren kannst und gezeigt hättest, dass jetzt existierende automatische Theorembeweiser über keine Kreativität verfügen, würde das nicht reichen. Du musst auch zeigen, dass das für zukünftigen Weiterentwicklungen genauso gilt.

Dafür braucht es ein verbindendes Argument, was in deinen Ausführungen tendenziell fehlt.
Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Ja, natürlich. Im Schach und im Go haben AlphaZero und AlphaGo Millionen Partien gegen sich selbst gespielt, um genau die unglaublichen Mengen an Daten zu erheben, die sie als Deep-Lerning-Systeme benötigen, um genau die Strukturen darin erkennen zu können, die sie am Ende befähigen, besser Schach und Go spielen zu können als Menschen. Interessant bei AlphaZero war, dass es keinerlei menschliche Partien analysierte, sondern ausschließlich gegen sich selbst spielte, was bedeutet, dass seine Spielstärke und der Stil seines Schachspiels nichts mit den menschlichen Einsichten in dieses Spiel zu tun hatte. Entsprechend merkwürdig für Menschen earen manche Züge von AlphaZero, aber diese merkwürdigen Züge hatten einen so tiefen Sinn, dass Menschen dem nicht mehr folgen können. Man sieht es am ende nur am Erfolg und der besteht im Schach und im Go darin, zu gewinnen. Es gibt einen eindeutig definierbaren Erfolg. Schach und Go scheinen aber immer noch weniger komplex zu sein als die Mathematik, denn um auf eine effektive Beweismethode zu kommen, bedarf es offenbar mehr Kreativität, als auf gute Züge zu kommen.
Das gefällt mir jetzt noch weniger, da du hier der KI auf einmal doch "Kreativität" zusprichst. Nur "weniger" als dem Menschen. D. h. es handelt sich nicht um einen fundamentalen Unterschied, sondern um einen graduellen. Und man sollte annehmen, dass sich diese Lücke in Zukunft schließt.

Du bringst hier streng genommen nur Argumente für "Es gibt augenblicklich keine KI, die die gleichen intellektuellen Fertigkeiten wie der Mensch hat oder ihn darin sogar übertrifft".

Das ist eine extrem unkontroverse These. Wirklich niemand hat je etwas anderes behauptet.
Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30 Da würde ich gleich einmal das prompte Gegenteil behaupten.
Qualia basieren zwar auf materiellen Grundlagen, nämlich dem physischen Vorhandensein von Sensoren, Nervenbahnen, Synapsen, Neuronen, dem ganzen Gehirn und möglicherweise noch andere physischen Bedingungen. Aber am Ende sind Qualia, also die Tatsache, dass wir qualitative Empfindungen haben, wie das Sehen der Farbe Blau, das Schmecken eines guten Weines, die wohlige Empfindung von Sonne auf der Haut, Schmerzen einer gewissen Stärke oder eben ein Orgasmus nicht identisch mit den für sie erforderlichen physischen Grundlagen oder den dort sich abspielenden physiologischen und neuro-chemischen Prozessen. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass man hier kein Gleichheitszeichen (=) setzen kann. Der Reduktionismus wäre nämlich nur dann korrekt, wenn man genau dies könnte. Aber die präzise physikalisch-neurowissenschaftliche Begrifflichkeit ("Meine C-Nervenfasern sind mit einer Sträke x so und so aktiv ...") ist keine adäquate Übersetzung qualitativer Empfindungen des phänomenalen Bewusstseins (also keine adäquate Übersetzung von Blau oder genau diesem Geschmack eines Weines etc).
Das sind die Kategorien, die sich zu Beginn der frühen Neuzeit herausgebildet haben, und die sofort zu diesen Problemen führen. Diese Kategorien interessieren mich nicht, weil sie ohne spirituelle Bedeutung sind.

Ich definiere "materiell" und "immateriell" daher anders und über meine Definitionen (!) will ich nicht diskutieren. Ich denke nicht, dass meine Definition furchtbar unüblich oder Neusprech-artig ist. Aber wenn es dir gar nicht passt, können wir auch "hylisch" und "anhylisch" verwenden.

Der entscheidende Kontext war:
Claymore hat geschrieben: Di 13. Dez 2022, 00:50 Wollen wir nicht, wenn es um die Unsterblichkeit geht, eher unterscheiden zwischen der Sphäre des ewigen Wandels, des Potentiellen, der Vielheit, der besonderen Eigentümlichkeiten durch Defekte, der Imperfektion und ihrem Gegenteil: der Sphäre des Ewigen, Wirklichen, der Einheit, des Universellen, der Einfachheit und Perfektion?

Vorstellung kann (wie ein physisches Objekt) keine reine Form repräsentieren. Descartes gibt das Beispiel mit dem Chiliagon (1000-Eck): das ist in der bildlichen Vorstellung nicht von einem 1001-Eck zu unterscheiden. Ganz anders als beim Konzept des Chiliagons, das unser Intellekt bildet.

Qualia und Vorstellungen sind für mich also materiell, weil sie imperfekt und eigentümlich sind. Mein vorgestelltes Chiliagon ist sicher deinem unähnlich. Unterschied beim Unwesentlichen, Schwammigkeit beim Wesentlichen.
Natürlich sind Qualia ein sehr großes Problem für den Materialismus im engeren Sinne, da sie nicht in mechanistische Materie-Konzepte passen.

Aber von diesem Ausgangspunkt aus, führt zum Immaterialismus, wie ich ihn brauche, nur das Argument von Descartes:
  1. Es ist vorstellbar, dass der Geist ohne den eigenen Körper existieren könnte.
  2. Es ist (widerspruchsfrei) denkbar, dass der Geist ohne den eigenen Körper existiert.
  3. Es ist (metaphysisch) möglich, dass der Geist ohne den eigenen Körper existiert.
  4. Der Geist ist eine andere Entität als der Körper.
Für mich ist der Schritt von 2 nach 3 grundsätzlich extrem fragwürdig und ein non-sequitur.
Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Nein, Immaterialität spielt sich ja nicht nur im Kopf der ersten Person ab.
Worin denn außerdem noch?
Das Addieren ist sicherlich eine (immaterielle) Rechenoperation, die jeder für sich nachvollziehen und rechnen muss. Das heißt, sie ist in diesem Sinne rein subjektiv. Aber alle kommen zu demselben Ergebnis, - wenn sie richtig rechnen-, und das ist OBEJEKTIV so! Richtiges Rechnen ist ein objektiver Sachverhalt, obwohl er subjektiv vollzogen wird.
Natürlich ist es subjektiv, ob mir dieser Wein schmeckt oder nicht. Aber ob er gut ist oder nicht, hängt nicht allein von mir ab. Saumeliers erhalten eine lange Ausbildung, bei der ihr Geschmack für Weine geschult wird. Sie üben an Weinen und schmecken gute wie schlechte und lernen sie zu unterscheiden. Sie bekommen Kriterien für den Geschmack guter Weine an die Hand. Saumeliers können einen Wein als ausgezeichnet prämieren, der mir überhaupt nicht schmeckt. Dannschmeckt er mir aber nur einfach nicht. Das heißt nicht, dass dieser Wein darum schlecht ist und kein Gütewein. Objektiv ist eine Aussage oder ein Urteil dann, wenn es wahr oder falsch sein KANN.
Subjektiv sind nur Aussagen oder Urteile, die nicht wahr oder falsch sein können. Wie z.B. das Urteil: "Dieser Wein schmeckt mir."
Mag sein, mir ging's aber nur um die Erlebnisperspektive. Das "subjektiv" / "objektiv" beziehst du jetzt auf Urteile, wo ich vermute, dass es was anderes ist.

Das führt uns zu Fragen wie "Wenn ich den Wein mag und du nicht, empfinde ich dann einen ganz anderen Geschmack? Oder ungefähr den gleichen, aber bewerte den Geschmack anders?", und die haben mit der unsterblichen Seele nicht mehr viel zu tun, oder?
Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Mir ist nicht klar, was du damit ausdrücken willst.
Chalmers Zombie für einen Menschen zu halten, IST "metaphysisch notwendig ausgeschlossen"! Wenn wir nämlich Zombies im Chalmerschen Sinne wären, könnten wir das Gedankenexperiment mit solchen Zombies gar nicht durchspielen. Wenn wir tatsächlich solche Zombies wären, wäre es ausgeschlossen, dass wir verstehen könnten was es heißt, Mensch mit Bewusstsein zu sein IM UNTERSCHIED zu einem Zombiemenschen. Wir verstünden den Unterschied nicht, wir verstünden das Gedankenexperiment nicht.
Das Argument soll doch zeigen, dass die Existenz von diesen p-Zombies metaphysisch möglich ist.

Ein p-Zombie steht im Gegensatz zu, sagen wir, einem physisch identischen Doppelgänger eines "gesunden" Menschen, der sich allein darin unterscheidet, dass ihm die "Gesundheit" fehlt. Hier ist für alle klar: So etwas ist nicht widerspruchsfrei denkbar, denn Gesundheit superveniert offensichtlich über den physischen Eigenschaften.

Was ich meine ist (ähnlich wie mein Problem mit Descartes): daraus, dass p-Zombies widerspruchsfrei denkbar sind, können wir meiner Ansicht nach nicht schließen, dass sie metaphysisch möglich sind. Das ist alles.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Claymore »

Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Meiner Ansicht nach, hat bislang nur Markus Gabriel eine Lösung des Körper-Geist-Problems vorgelegt: er meint - recht lapidar - dass man sich nicht wundern muss, dieses Problem nicht lösen zu können. Wenn man Natur/Materie und Geist von vornherein in seiner Vorstellung und gedanklich radikal trennt - also bevor man überhaupt anfängt über das Problem nachzudenken -, dann muss man sich nicht wundern, wenn man Materie und Geist nicht wieder zusammenbekommt.
Das ist aber nur ein Denkanstoß und keine Lösung.

Das moderne Körper-Geist-Problem ergibt sich natürlich dadurch, dass der Geist im Weltbild der Naturwissenschaften stört. Beide Strategien, einmal ihn hart abzukapseln wie Descartes, oder ihn in diesem Weltbild aufzulösen, sind meiner Meinung zum Scheitern verurteilt.

Lässt man dieses Weltbild jedoch fallen, stellt sich das Problem gar nicht.

Ich sehe keinen Widerspruch darin, dass Materie fühlen kann, wenn man sie nicht mechanistisch auffasst. Aber eine Lösung würde ich das nicht nennen.

Das Problem des Intellekts halte ich dagegen nicht bloß für ein Artefakt der seltsamen Definitionen der Moderne.
Die allermeisten Menschen haben auch naive Vorstellungen darüber, was Geist ist: er ist in deren Vorstellung das Gegenteil von Materie und mit ihr unvereinbar. Er ist so etwas wie eine wabernde Energie, die gasartig überall herumspukt. Eben so wie Seelen. Der Geist kann durch feste Materie einfach hindurch und stört sich an ihr nicht. Aber er kann im Okkultismus Glühbirnen zum Leuchten bringen und einen kalten Luftzug erzeugen.
Das ist natürlich alles kapitaler okkulter Blödsinn.
Ok, aber was ist deiner Meinung nach die richtige Vorstellung von Geist? Das wird doch nicht wirklich jetzt die von Markus Gabriel sein?
Thaddäus hat geschrieben: Do 15. Dez 2022, 20:30Gabriel bestimmt Geist als "die Fähigkeit des Menschen, ein Leben im Lichte einer Vorstellung davon zu leben, was er selbst ist."
Das ist weit entfernt von wabernden Gespenstern und kalten Händchen. Es meint, dass alle kulturellen Erzeugnisse des Menschen ein Spiegel davon sind, wofür er sich hält. Ob das Wissenschaften oder Religion ist, ob das Moral ist oder Psychologie und Esoterik oder der Entschluss, Kriege zu führen für irgendeine Idee, die eine richtige gute oder eine falsch, böse Idee sein kann. Jeder Mensch hat ein Bild von sich selbst: er weiß, wie er den anderen erscheinen möchte und wie er ihnen auf keinen Fall erscheinen möchte. Alles das gehört zum Geist.
Da wurde jetzt aber ein komplett anderes Fass aufgemacht.

Tiere fühlen doch, oder? Ja, das kann man zwar theoretisch leugnen wie Descartes. Aber das glaubst du doch genauso wenig wie ich!

Katzen erleben subjektiv. Das heißt: all die Sub-Probleme des Geist-Körper-Problems, wie Qualia und Intentionalität, treten genauso bei Katzen auf.

I. d. S. haben Katzen "Geist". Aber sie haben keine Kultur. Daher ist die Definition von Markus Gabriel off-topic und trägt rein gar nichts zum modernen Geist-Körper-Problem bei.
Unser Gehirn ist ein Sinnesorgan für Geist und ein Produzent von Geist. Ein Sinnesorgan, insofern wir Informationen (mathematische, physikalische, chemisch, archäologische usw.), die wir in der Welt vorfinden, überhaupt wahrnehmen können. Wir können z.B. naturwissenschaftliche Fakten feststellen oder logische Zusammenhänge erkennen oder auch hermeneutisch Texte erfassen, alles Fähigkeiten, die andere Tiere nicht haben. Und wir produzieren auch beständig Geist in Form von Wissenschaft, Kultur, Kunstwerken, Gesetzestexten, Technik, Moral usw.
Ich finde es faszinierend, dass du auf Anthroposophie so herabblickst und dabei selbst extrem idiosynkratischen Vorstellungen und Begrifflichkeiten anhängst.

Das Gehirn ist "Sinnesorgan für Geist"? Wirkt für mich wie auf Naturalismus getrimmter Platon?

Die Fähigkeit der Abstraktion ist zwar tatsächlich fundamental, aber ich sehe nichts Zielführendes darin, das mit Sinneswahrnehmung zu vergleichen. Denn wir kommen nur mittelbar über Einzeldinge zu den universellen Prinzipien - es sei denn du glaubst, wir könnten platonische Ideen direkt "erblicken" (was aber genauso wieder zu Problemen mit der Kausalität führt).
So, jetzt habe ich keine Lust mehr.
Musst ja nicht antworten, wenn dir das "nichts gibt". Keiner zwingt dich. :-) Und ja, wahrscheinlich ist es eine bessere Investition deiner Zeit gute Philosophen zu lesen als mit irgendjemand online zu debattieren.

Schreib vielleicht etwas weniger blumig und weitschweifig, das spart Zeit und Energie. Aber dafür lass nicht punktgenau das wichtigste aus. Gerade den wesentlichsten Absatz in meinem letzten Beitrag hast du ignoriert.

Damit das einfacher geht, hab ich das wichtigste rot-fett markiert.
Zum Rest vielleicht später noch. Aber ich wäre dafür, lieber das Wichtige auf den Punkt zu bringen und bei dem weiter zu machen.

Meine Frage also an dich: was ist das Wichtige bei unserer Diskussion? Was sind die wichtigen philosophischen Grundprobleme?
Es ging um die unsterbliche Seele. Das ist das wichtigste.

Im religiösen und spirituellen Sinn halte ich dieses Konzept für essentiell, da auf der Seele die Erlösung aufbaut.


Wenn moderne Theologen à la Drewermann die Entmystifizierung in dem Bereich so weit vorantreiben, dass "Seele" nur ein Synonym für den Charakter oder die Persönlichkeit ist, dann geht halt auch die Erlösung flöten. Ob sie diesen Zusammenhang kapieren oder eben nicht.

Denn wenn Gott einen Menschen schafft, der mir in Charakter, Persönlichkeit und Erinnerungen gleicht, so ist dieser Mensch doch nicht ich.

Die absurde Vorstellung der "Unsterblichkeit" durch Kopie ist 100% areligiös und unspirituell und passt eher in Sci-Fi-Thriller (z. B. "Moon", 2009).
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 19:48 Musst ja nicht antworten, wenn dir das "nichts gibt". Keiner zwingt dich. :-) Und ja, wahrscheinlich ist es eine bessere Investition deiner Zeit gute Philosophen zu lesen als mit irgendjemand online zu debattieren.
So war das nicht gemeint. Ich wollte lediglich nicht weiterschreiben, weil ich - an dieser Stelle meines Geschreibsels angekommen - keine Lust mehr hatte.
Ich habe deine Antworten aufmerksam gelesen, will aber jetzt nicht wiederum auf jeden Abschnitt antworten, da ich denke, dass wir mit diesem Verfahren nicht weiterkommen, sondern uns unweigerlich immer mehr gedanklich und argumentativ zersplittern.

Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 19:48 Schreib vielleicht etwas weniger blumig und weitschweifig, das spart Zeit und Energie. Aber dafür lass nicht punktgenau das wichtigste aus. Gerade den wesentlichsten Absatz in meinem letzten Beitrag hast du ignoriert.
Dummerweise berühren Vorstellungen der Seele zahlreiche komplexe philosophische Grundüberzeugungen, aus denen diese Vorstellungen dann konkret abgeleitet werden. So ist die konkrete Vorstellung einer Seele davon abhängig, was man überhaupt darunter versteht, dass etwas existiert und ob es "Abstufungen" des Existierens gibt (was immer das bedeuten könnte). Existieren nur "Tische und Stühle" oder existieren auch Gedanken und Vorstellungen? Existieren nur Brücken oder existiert auch die Mathematik, mit der deren Statik berechnet wird? Existiert nur Olaf Scholz oder existiert auch Sherlock Holmes?

Im Augenblick versuchen wir ja nur herauszufinden, was der je andere überhaupt für relevante Überzeugungen und Vorstellungen zum Thema Seele hat. Dabei handelt es sich aber nur um die sichtbare Oberfläche. Darunter verborgen liegen die tieferen und grundsätzlichen Grundüberzeugungen, welche die Oberflächenlandschaft formen und die für deren konkrete Gestalt verantwortlich sind. Weil wir immer auch Erklärungen einfließen lassen möchten, damit der andere verstehen kann, wie man zu seinen Überzeugungen gelangt, kommen wir von Holz auf Stock und es wird thematisch unübersichtlich.

In der Tat stellst du zurecht fest, dass ich bislang noch nicht wirklich argumentiert habe. Das liegt daran, dass die Argumente für meine Überzeugungen bzw. meiner Kritik an deinen Überzeugungen auf einer tieferen Ebene starten, für die man weiter ausholen muss.
Die Unterschiede in unseren philosophischen Grundüberzeugeungen werden sich konkret (oder "in der Tiefe") bei folgenden großen (bis riesigen) Themen und Fragen offenbaren:

Ontologie und Meontologie
Was ist Realität bzw.Wirklichkeit? Was bedeutet es, dass etwas existiert? Was meint man, wenn man behauptet, dass etwas nicht existiert?

Bewusstseinsphilosophie
Was sind Bewusstsein und Selbstbewusstsein?
>Was unterscheidet menschliches Denken von Verfahren der AI?

Argumentationstheorie, Logik und Wissenschaftstheorie
Was ist subjektiv, was ist objektiv?
Was bedeutet es, wenn eine korrekte philosophische Schlussfolgerung gezogen wird?


... und vermutlich noch mehr.
Ich würde vorschlagen, dass wir hier zunächst deine konkreten Vorstellungen von Seele feststellen, also eine brauchbare Definiton finden die beinhaltet, welche Eigenschaften dein Seelenbegriff haben soll bzw. muss. Du hast zwar schon angefangen (Unsterblichkeit, Unkörperlichkeit? ...?) Kritik daran, stelle ich erst einmal zurück.
Werden Fragen aus den obigen großen Themenbereichen relevant, sollte man auch die darlegen dürfen, aber vielleicht besser in einem anderen Thread (vielleicht sogar im anderen Forum, es kommt darauf an, welche logischen Sonderzeichen ich benötige).

---------------------------------------------------

Hier noch ein paar Zeilen, die ich zuerst geschrieben hatte. Jetzt passen sie nicht mehr so recht, aber ich will sie nicht löschen.

Dein Unverständnis bzw. deine Ablehnung des Gedankens, Geist könne etwas sein, das entsteht, weil Menschen wechselnde Vorstellungen davon haben, was sie selbst sind, beruht vermutlich auf dem Gefühl, gewissermaßen ontologisch-spirituell betrogen zu werden, wenn dem so wäre, weil es dir viel zu wenig "substanziell" erscheint, dass der Mensch als Ausdruck seines Bewusstseins und seines Geistes alle möglichen (privaten und öffentlichen) Kulturgüter erschafft, in denen er sich als die und die Person mit einem Selbstbild und mit einem Menschenbild geistig spiegelt, die sich die Frage stellt, was ihre Stellung im Kosmos ist und warum überhaupt etwas existiert? Ob, und wenn ja inwiefern eine Seele sich von einer Person unterscheidet oder vom je eigenen Person-Bewusstsein oder von Geist bleibt zu bestimmen.
Dir schwebt offenbar eine Seele vor, die erlöst können werden soll. Die Frage ist, welche Eigenschaften sie dafür haben müsste und was für ein Seelenbegriff dann dabei herauskommt. Ich befürchte, du wirst am Ende auf eine Art feinstofflich-ewiger Seele jenseits von Raum und Zeit mit allen menschlichen Attributen beharren müssen, damit diese Seele alle Eigenschaften aufweist, die du für ihre Erlösung brauchst.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 18. Dez 2022, 17:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Oleander »

Thaddäus hat geschrieben: So 18. Dez 2022, 14:58 an dieser Stelle meines Geschreibsels angekommen - keine Lust mehr hatte.
Das kenne ich auch: Es gibt Tage/Momente, da "fliesst" es einfach aus einem...
Und dann wieder, wo so gar keine Lust vorhanden...

Woran liegts? (Rhetoriche Frage= ich erwarte keine Antwort, lass aber jedem die Freiheit zu antworten, wobei ich mich wiederrum frage woran es liegen könnte, dass jemand will oder nicht will... :) )
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Oleander »

Thaddäus hat geschrieben: So 18. Dez 2022, 14:58
Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 19:48 Schreib vielleicht etwas weniger blumig und weitschweifig, das spart Zeit und Energie.

Aber dafür lass nicht punktgenau das wichtigste aus.
Gerade den wesentlichsten Absatz in meinem letzten Beitrag hast du ignoriert.
Dummerweise berühren Vorstellungen der Seele zahlreiche komplexe philosophische Grundüberzeugungen
CM...hat eine gewisse Vorstellung (vielleicht seine Seele) wie du agieren solltest, das teilt er mit...
Nun liegt es an dir, ob du darauf "anspringst"(dich beinflussen lässt(darauf Rücksicht nimmst) oder weiter nach deiner Vorstellung (deinem Bedürfnis/nach deiner Gewohnheit usw.) )agierst, ohne die Vorstellung(Wunsch) eines anderen zu berücksichtigen, weil...
Begegne dem, was auf dich zukommt, nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung.
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 15:49
Thaddäus hat geschrieben: Mi 14. Dez 2022, 08:45 Warum denkst du, liegt hier eine petitio principii vor?
Ganz einfach, weil das Argument fehlt, dass Computer (prinzipiell) nichts wissen und nichts wollen.
Ob Computer prinzipiell nichts wissen (können) und nichts wollen (können) ist zu diskutieren.

Fest steht zu diesem Zeitpunkt: Es existieren keine Computer, die 1. ein Bewusstsein haben oder 2. sich selbständig Ziele setzen, die sie bewusst verfolgen. 1. ist die Bedingung für Wissen ("Ich weiß, dass p"), 1.+ 2. sind Bedingungen dafür, etwas zu wollen.

Dass derartige Computer, wie wir sie zu diesem Zeitpunkt kennen oder Deeplearningverfahren oder andere KI-Verfahren, wie sie zu diesem Zeitpunkt eingesetzt werden, zu 1.+ 2.führen könnten, ist technisch praktisch auszuschließen.
Implementierte Befehle von Programmen, bestimmte Routinen auszuführen, stellen keine selbständig und bewusst gesetzten Ziele dar.

Grundsätzlich gilt aber Folgendes:
Da dass menschliche Nervensystem inklusive Cerebrum evolutionär auf natürliche Weise hervorgebracht worden ist und diese die physischen bzw. organischen Grundlagen für alle kognitiven und geistigen Vermögen des Menschen darstellen, ist nicht auszuschließen, dass es grundsätzlich möglich ist, einen so komplexen Mechanismus künstlich nachzubilden, der dann grundsätzlich ähnliche oder dieselben kognitiven und geistigen Vermögen aufweist wie der Mensch. Ob dies prinzipiell ein zellulärer Apparat sein muss oder auch ein Apparat auf Silizium-Kristallbasis sein kann, bleibt abzuwarten.
Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 15:49 Dir sind doch die Argumente von J. R. Searle bekannt? Wieso hat er sich denn die Mühe gemacht, die zu konstruieren, wenn deine Behauptungen sowieso völlig offensichtlich sind?
Searle hat sich die Mühe gemacht, eine prinzipielle Argumentation gegen die These auszuarbeiten, dass Computer mit einer Archtitektur, wie wir sie heute kennen, denken können, weil es Philosophen gibt, die genau das behaupten. Bekanntermaßen ist der Kern seiner Argumentation das Gedankenexperiment vom Chinesischen Zimmer.
Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 15:49
Thaddäus hat geschrieben: Mi 14. Dez 2022, 08:45 Etwas auszuführen (also etwas zu tun, wie z.B. das chinesische Go spielen) und etwas tun und dabei zu wissen, dass man es tut, sind zwei gänzlich unterschiedliche Sachverhalte. Ich weiß zwar nichts über die inneren Zustände von AlphaGo (das wissen selbst die KI-Ingenieure nicht, was ein grundsätzliches Problem der KI-Forschung bzw. des Deep-Lerning ist), aber das muss ich auch gar nicht, um zu dem berechtigten Schluss zu kommen, dass AlphaGo nicht weiß, das es Go spielt, wenn es Go spielt. Das autodidaktische Lernen (wofür sich Go und Schach perfekt eigenen, weil sie nach Regeln auf einem begrenzten Spielfeld gespielt werden) ändert daran erstmal nichts. Autodidaktisches Lernen bedeutet beim Deep-Lerning lediglich, Muster aus einer riesigen Datenmenge nach Regeln zu filtern.
Kann sein, aber was steckt hinter dem Schluss? Warum darf er gezogen werden? Eine schlüssige Verbindung fehlt.
Der Schluss darf gezogen werden, weil eine notwendige Bedingung für Wissen darin besteht, dass Jemand etwas weiß. Es muss eine intentionale Instanz geben, die etwas weiß. (K(s,φ) [= s Knows that φ]. Weder AlphaGo noch AlphaZero stellen etwas dar, dass auch nur entfernt eine intentionale Instanz sein könnte (weil diese KI's auch gar nicht darauf angelegt sind, so etwas zu repräsentieren). Beide KI's haben keinerlei erkennbare Haltung zu den symbolischen Inhalten ihrer Speicher, außer, dass sie sie produzieren und auswerfen.

Das KK-rule (KK-Axiom) in der epistemischen Logik besagt zudem, dass Wissen "strahlt" (Williamson nennt es "the luminosity of knowlege"). Es bedeutet, dass, wenn man etwas weiß, man auch weiß, dass man es weiß ((K(s,φ ⟶ (KK(s,φ) [= s knows that he knows that φ]. Dieses Axiom ist allerdings nicht unumstritten, da es durchaus Wissen gibt, welches dem Wissensträger aktuell nicht bewusst sein muss. Man muss also zwischen bewusstem und unbewusstem Wissen unterscheiden.
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 19:20 Also von mir aus können wir mit der Gabriel-Ontologie weitermachen. Ich kann nur den Kult um Gabriel nicht so nachvollziehen. "eine Schülerin von Markus Gabriel", ach je. ;-)
Mein Verhältnis zu den philosophischen Überzeugungen Markus Gabriels ist folgendes:

Als analytische Philosophin habe ich selbstverständlich lange Zeit einen reduktiven Naturalismus vertreten, habe jedoch immer schon ein gewisses Unbehagen dabei verspürt, das dem geschuldet war, das zu viele relevante philosophische und menschliche Fragen in einem reduktiven Naturalismus einfach unter den Tisch fallen gepaart mit einer etwas zu naiven Naturwissenschaftsbegeisterung. Zudem war ich immer schon der Ansicht, dass die von der analytischen Philosophie geradezu verachteten idealistischen deutschen Philosophen im Besonderen Fichte, Schelling und Hegel, philosophiehistorisch oftmals nicht korrekt oder nur stark verzerrt und ideologisch dargestellt werden. Analytisch philosophische Methoden und die Denkansätze dieser drei herausragenden Denker schließen sich nicht aus. Keiner dieser Denker denkt übrigens, dass wir uns die Welt lediglich einbilden!

Bei meiner Lektüre von Markus Gabriel, denke ich oft: "Ja, genau, du hast hier präzise formuliert, was ich eher dumpf geahnt habe. Gabriel ist auch ein radikaler Denker, was mir aber gefällt, denn um manche Probleme zu knacken, muss man sie wie den gordischen Knoten zerschlagen. Z.B. das Natur - Geist-Problem. Das bedarf eines radikalen neuen Ansatzes. Es besteht nämlich das omnipräsente Vor-Urteil, Geist und Natur schlössen sich von vornherein aus. Alles, was die Leute zu Natur und Geist denken, denken sie aus dieser Vor-einstellung heraus.
Es gibt andererseits zahlreiche Thesen Gabriels insbesondere in seinem neuen Buch DER MENSCH ALS TIER, 2022, die ich dezidiert kritisch sehe.

Von Gabriels grundsätzlichen philosophischen Positionen teile ich insbesondere:

1. Neuer (Neutraler) Realismus
ist die Auffassung,
wonach unser Erleben der Wirklichkeit, der Geist bzw. die Subjektivität gleichrangig zur Wirklichkeit gehört wie dasjenige, was wir berechtigterweise als von uns unabhängig einstufen. Objektivität besteht demnach nicht paradigmatisch darin, dass wir von der Subjektivität abstrahieren. Subjektivität ist genauso wirklich wie dasjenige, was wir zur objektiven Wirklichkeit rechnen.! (Gabriel, Der mensch als Tier, 2022, S.306)
2. Sinnfeldontologie (Existieren bedeutet, in einem Sinnfeld zu erscheinen und es gibt keine Abstufungen von Existenz, sondern nur die Frage: "In welchem Sinne existiert X im Sinnfeld Y".)

3. Geist ist das Vermögen des Menschen, im Lichte einer Vorstellung davon zu leben, was er ist.

4. Es gibt keine allumfassende Theorie (oder Religion) die Alles erklären kann.

5. Geist ist untrennbar mit der Natur verwoben, weil er aus einem evolutionören Prozess heraus entstanden ist. Wir können die Natur nicht vollständig erkennen, weil wir prinzipiell nicht wissen können, was wir (noch) nicht wissen.
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Thaddäus
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von Thaddäus »

Claymore hat geschrieben: Sa 17. Dez 2022, 19:31 Aber von diesem Ausgangspunkt aus, führt zum Immaterialismus, wie ich ihn brauche, nur das Argument von Descartes:
  1. Es ist vorstellbar, dass der Geist ohne den eigenen Körper existieren könnte.
  2. Es ist (widerspruchsfrei) denkbar, dass der Geist ohne den eigenen Körper existiert.
  3. Es ist (metaphysisch) möglich, dass der Geist ohne den eigenen Körper existiert.
  4. Der Geist ist eine andere Entität als der Körper.
Für mich ist der Schritt von 2 nach 3 grundsätzlich extrem fragwürdig und ein non-sequitur.
Ich greife diesen Punkt heraus, weil ich alle Schritte 1 bis 4 für problematisch und inkonsistent halte. Es handelt sich für mich lediglich um 4 äußerst problematische Behauptungssätze. Ein nachvollziehbare, aufeinander aufbauende Argumentation kann ich nicht erkennen.

(1.) Denkbar ist auch, dass dieses Universum von einer kosmischen Ziege ausgenießt wurde, die sich mich nur vorstellt. Denkbarkeit ist kein Kriterium für eine realistische Möglichkeit.
(2.) Ich denke nicht, dass es widerspruchsfrei denkbar ist, dass der Geist ohne eigenen Körper exsitiert. Menschlicher Geist ist nachweislich an gewisse physische Bedingungen als notwendige (aber nicht hinreichende!) Bedingungen geknüpft. Liegen diese notwendigen organischen Bedingungen nicht mehr vor, scheint es auch keinen Geist und keine Person als Träger von Geistigkeit zu geben. Die Beweislast liegt bei dem, der behauptet, Geist würde ohne seine organischen Grundlagen weiter existieren. Zudem muss erklärt werden, in welcher Form Geist dann weiter existieren soll und wie man sich dies genau zu denken habe.
(3.) Wenn etwas in allen möglichen Welten falsch ist, dann kann es auch metaphysisch nicht wahr sein. Denn auch metaphyisch ist nicht möglich, was logisch unmöglisch ist.
(4.) Der Geist ist ontologisch etwas anderes als der Körper bzw. seine körperlichen Voraussetzungen. Dass heißt aber nicht, dass er eine feinstoffliche gasförmige Gegenständlichkeit hat, die außerhalb von Raum und Zeit existiert, aber dennoch feinstofflich gegenständlich sein soll.
Für-sich-Sein (des Geistes): Das Für-sich-Sein des Geistes besteht darin, dass der Geist nur existiert, indem er sich auf die eine oder andere Weise auf sich selbst bezieht. Die Existenz des Geistes bleibt nicht unbemerkt, weil er eben nur existiert, indem er sich bemerkt. (Markus Gabriel, Der Mensch als Tier, 2022, S. 301)
oTp
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Re: Vorstellungen der Seele

Beitrag von oTp »

Thaddäus hat geschrieben: So 18. Dez 2022, 18:59 (2.) Ich denke nicht, dass es widerspruchsfrei denkbar ist, dass der Geist ohne eigenen Körper exsitiert. Menschlicher Geist ist nachweislich an gewisse physische Bedingungen als notwendige (aber nicht hinreichende!) Bedingungen geknüpft. Liegen diese notwendigen organischen Bedingungen nicht mehr vor, scheint es auch keinen Geist und keine Person als Träger von Geistigkeit zu geben. Die Beweislast liegt bei dem, der behauptet, Geist würde ohne seine organischen Grundlagen weiter existieren. Zudem muss erklärt werden, in welcher Form Geist dann weiter existieren soll und wie man sich dies genau zu denken habe.
(3.) Wenn etwas in allen möglichen Welten falsch ist, dann kann es auch metaphysisch nicht wahr sein. Denn auch metaphyisch ist nicht möglich, was logisch unmöglisch ist.
(4.) Der Geist ist ontologisch etwas anderes als der Körper bzw. seine körperlichen Voraussetzungen. Dass heißt aber nicht, dass er eine feinstoffliche gasförmige Gegenständlichkeit hat, die außerhalb von Raum und Zeit existiert, aber dennoch feinstofflich gegenständlich sein soll.
Das streift ja "methaphysische" Probleme.
Die Beweislast liegt bei dem, der behauptet, Geist würde ohne seine organischen Grundlagen weiter existieren.
Wie gesagt, Hinweise darauf sind zu finden, wenn man ernsthaft danach sucht.
Du darfst nicht alles glauben, was du denkst
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