Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

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rellasch
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Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

rellasch hat geschrieben: Di 7. Nov 2023, 21:05 Reinhold hat geschrieben: ↑Di 7. Nov 2023, 20:59
Möchte der Herr rellasch mit seinem o. Statement etwa damit sagen, dass man über das was in der Schrift geschrieben steht hinaus gehen darf wenn es sein muss?
Nein, der Herr Reinhold darf gern mal über den eigenen Tellerrand schauen

"Wir wissen nicht wirklich, was für Schriften der ehemaliger Rabbi Paulus so gelesen und weiterempfohlen hat. Auf alle Fälle keine Schriften des NT - denn die gab es noch nicht.
Zu den Schriften hat die aramäische Tradtion eine eigene Überlieferung: Damit meint Paulus die Aufzeichnungen, die über Jesus und seine Reden und Taten im Umlauf waren (zu Beachten, die Evangelien waren noch nicht geschrieben)"

Magst du mir mal darauf etwas erwidern - anstatt mir etwas zu unterstellen?
Ich nehme das mal als Aufhänger für einen längeren Lesetext, den ich aber wichtig finde um mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.


In der aramäischen Tradition wird auch das Thema "alle Schriften sind von Gott eingehaucht" etwas anders erklärt, als in der westlichen Tradition
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Die Bibel hat in verschiedenen Sprach- und Kulturgewändern das Christentum beeinflusst. Als Septuaginta + dem griechischen NT die griechische Welt und heute noch die Orthodoxie. Als Vulgata die lateinische Kirche (RKK) und als Lutherbibel die Reformation und Folgekirchen. Sie alle haben ihre Berechtigung. Was allerdings aus dem Blickfeld geraten ist, das ist aramäische Sprache (die Sprache Jesu, der Apostel und der ersten Heidenchristen) zusammen mit der alten (aramäischen) Ostkirche. Im folgenden ein Auszug aus dem Buch: „Ursprung des Neuen Testamentes“ von George W. Lamsa aus dem Maurer Verlag
https://www.maurer.press/kategorie/buch ... ristentum/
Zuletzt geändert von rellasch am Di 7. Nov 2023, 21:56, insgesamt 2-mal geändert.
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rellasch
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Die meisten der in den vier Evangelien enthaltenen Berichte oder mindestens die der drei ersten (synoptischen) Evangelien müssen kurz nach Jesu Auferstehung geschrieben und vom einen zum andern herumgereicht worden sein. Jesu Lehre und Ruhm hatten sich rasch über ganz Palästina und Syrien verbreitet. Während Jesus die drei Jahre seines Amtes waltend in diesen Ländern wanderte und predigte, sandte Er siebzig seiner Jünger nach Mesopotamien und in andere benachbarte Länder und hieß sie dort zu predigen. Nach Seiner Himmelfahrt kamen viele Seiner Nachfolger aus den umliegenden Gebieten am Pfingsttage zusammen, um eine Organisation zur Fortführung der ihnen von Ihm anvertrauten Arbeit ins Leben zu rufen. Der Heilige Geist kam über sie und befähigte sie, die gute Botschaft Jesu Christi, des Sohnes Gottes, zu verkündigen, und zwar zuerst den Anhängern des jüdischen Glaubens und danach den Heiden.
Teile der Evangelien waren zunächst einzeln in Schriftrollen im Umlauf, von denen jede eine oder mehrere Erzählungen und Berichte über Jesu Worte und Wundertaten enthielt. Als später neue Belege über Jesu Leben und Lehre bekannt wurden, ergänzte man sie von Zeit zu Zeit. Im Lauf der Jahre wurden diese Schriftrollen dann in einen einzigen Bericht zusammengefasst und man fügte auch die Stammbäume bei. Ganz am Anfang befassten die Schreiber sich nur mit der Lehre Jesu, Seinen Taten und den Wundern, die Er vollbrachte. Die Wiederherstellung des Königreichs Davids interessierte sie nicht. Hatte ihr Herr und Meister sich doch geweigert, ein weltlicher Herrscher zu werden und sie ermahnt, in erster Linie nach dem Königreich des Himmels zu trachten und für die Herrschaft Gottes zu beten. Auch hatte Jesus nie irgendwelchen Anspruch auf königliche Abstammung erhoben.
Matthäus war ein Zöllner und konnte infolgedessen lesen und schreiben, Auch ganz abgesehen vom Zeugnis des Papias von Hieropolis erscheint es einleuchtend, dass Matthäus während seinen Wanderungen mit Jesus über dessen wichtigste Worte und Taten sofort Notizen machte oder bereits genaue Berichte abfasste. Seine Aufzeichnungen auf Schriftrollen gingen unter den Gläubigen von Hand zu Hand, wobei sie den einen zur Belehrung dienten und von den andern zu Heilungen benutzt wurden. Wie ehedem werden heilige Schriften in den Bibelländern heute noch als zuverlässige Hilfe bei Heilversuchen und als Quelle des Beistands und des Trostes angewandt, Auch in unserm Jahrhundert bewahren die Gläubigen stets Teile der Heiligen Schrift in ihren Häusern und tragen sie in ihren Kleidern bei sich. Sie sind aus Erfahrung zur Erkenntnis gekommen, dass diese Gewohnheit Erfolge zeitigt, weil sie die Bibel verehren und weil sie an Jesu Lehre und an Seine Macht zu heilen unverbrüchlich glauben. «Dein Glaube hat dir geholfen» (Mt. 9: 22), Dies dürfte einer der Hauptgründe für die frühzeitige und rasche, weite Verbreitung der heiligen Schriften gewesen sein.
Markus und Lukas bezogen den größten Teil ihrer Evangelien aus ihnen zugänglichen frühzeitigen Abschriften des Matthäus-Berichtes. Später ergänzten sie sie mit Mitteilungen, die sie aus andern mündlichen oder schriftlichen Quellen erhielten. Einen Teil davon hatte Matthäus beim Kompilieren des nach ihm benannten Evangeliums vielleicht absichtlich weggelassen, während andere dieser Nachrichten ihm damals möglicherweise nicht zur Verfügung standen. Heilige Schriftrollen und Pergamente waren in jenen Tagen sehr selten und schwer erhältlich. Markus hatte offenbar keinen Zugang zu gewissen Scrolls, die wesentliche Teile des Matthäus-Evangeliums enthielten. Dies ist offensichtlich der Grund, weshalb in seinem Bericht die ganze Bergpredigt fehlt, einer der wichtigsten Abschnitte des Matthäus-Evangeliums und der Lehre Jesu. Lukas hingegen verfügte über Schriftrollen mit der Bergpredigt und über andere Bescheide, die wahrscheinlich vervielfältigt wurden, als Jesus predigend im Lande umherzog und bevor Er Seine siebzig Jünger in andere Länder sandte. damit sie dort Seine Frohbotschaft weiter verbreiteten. Diese Missionare müssen Schriftrollen mit den Lehren Jesu bei sich gehabt haben.
Selbst heute sind in der Türkei und In Persien vollständige Exemplare der Heiligen Schrift bei der einheimischen Bevölkerung sehr selten an.zutreffen, Einzelne Teile der Bibel befinden sich im Besitz verschiedener Familien. In gewissen Landesgegenden wird in einem Dorf ein bestimmter Abschnitt bewahrt, während die vorangehenden oder anschließenden, ergänzenden Stücke oft über mehrere andere, z. T, weit voneinander entfernte Orte verstreut sind. Das kommt daher, dass beim Lösen von Familienbanden auch die heiligen Schriften und Bücher unter die Angehörigen verteilt werden.
Markus und Lukas waren Bekehrte, die Jesus nie gesehen hatten. Sie führten für Paulus Buch, bereiteten seine Reisen vor und standen ihm bei seiner Arbeit bei. Es wird uns nirgends mitgeteilt, dass sie selbst Kranke geheilt oder in Synagogen gepredigt hätten. Im Nahen Osten haben Bischöfe, Priester und Prediger immer einige jüngere Helfer bei sich, wie das schon bei Mose und Josua der Fall gewesen war, Markus und Lukas waren Schüler des Paulus, und weder sie noch Paulus waren Zeitgenossen Jesu. Das Markus-Evangelium kann daher nicht älter als jenes des Matthäus sein, der mit Jesus zusammen gewandert war und Ihn hatte predigen hören. Die Briefe des Paulus können unmöglich die ersten christlichen Schriften gewesen sein, wie von gewissen Gelehrten angenommen wird, denn Paulus, Markus und Lukas wurden ja erst Jahre nach Jesu Himmelfahrt bekehrt und als christliche Missionare ausgebildet. Hätten diese Männer gleichzeitig mit Jesus gelebt, dann würden sie dies in ihren Mitteilungen erwähnt haben. Sie hätten sich in diesem Falle auf Aussagen aus erster Hand und auf Geschehnisse bezogen, die auf persönliche Begegnung mit Jesus hingewiesen hätten, Ihre Schriften fußen jedoch ganz im Gegenteil auf Dokumenten, die ihnen überliefert wurden, und auf Mitteilungen, die sie von einigen wenigen Augenzeugen erhalten haben, Bei Lukas 1 ; 1-4 lesen wir:
„Viele wollten bereits eine Erzählung über die Ereignisse abfassen, die uns vertraut sind, und haben sich an die Überlieferungen derer gehalten, die von Anfang an Augenzeugen und Diener seiner Lehre waren. Nun habe auch ich ich entschlossen, für dich, hochverehrter Gottesfreund (Theophilus), der Reihe nach alles aufzuschreiben, nachdem ich von Anfang an dem Ganzen sorgfältig und gewissenhaft nachgegangen bin. So kannst du dich der Wahrheit der Lehre vergewissern, zu der du bekehrt wurdest“
Quelle:

"Ursprung des Neuen Testamentes" George M Lamsa / Neuer Johannesverlag. Reinhold Zbinden AG Bern

Zweite Auflage 1988

Der Eingangstext: S. 64 - 69
Die Paulusbriefe: S. 73 - 75
"Durch IHN, SEINE Gnade, Kraft und Zuwendung existieren wir" (Apg 17,28)
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rellasch
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Die christliche Kirche hatte zur Zeit des Paulus, Markus und Lukas bereits große Ausbreitung gewonnen und hatte sich in Palästina wie in Syrien schon gut festgesetzt; das Evangelium Jesu war in weiten Kreisen bekannt geworden, Paulus beauftragte Timotheus, die Schriften zu studieren, schrieb er ihm doch: «Studiere eifrig und fahre im Beten und Lehren fort, bis ich komme» (1. Tim. 4: 13,), Dabei interessierte Paulus nicht das Alte Testament, wohl aber war er mit größtem Eifer dabei, den tiefen geistigen Inhalt von Jesu Leben und Lehre weiterzuverbreiten.
Wir müssen uns die Bedeutung dessen vergegenwärtigen, dass die alte Kirche das Matthäus-Evangelium an die Spitze gestellt hat, denn es war das Erstgeschriebene. Das will besagen, dass es das erste bekannte Dokument war, das in den Kirchgemeinden vorgelesen wurde. Dies geht aus den Briefen des Paulus deutlich hervor, der an vielen Stellen die Worte Jesu anführt. Manchesmal unterstreicht er bei der Erwähnung gewisser Lehren: «Den Ehelichen aber gebiete nicht ich, sondern der Herr» (1. Kor. 7:10), während er bei andern Gelegenheiten präzissert: «Den andern aber sage ich, nicht der Herr» (1. Kor. 7:12). Paulus musste schriftliche Dokumente studiert haben, um predigen, lehren und die Ältesten ermahnen zu können.
Im Kanon des ursprünglichen Estrangelo-Peschittatextes folgten die Briefe des Paulus nach denen des Jakobus, Petrus und Johannes, denn Paulus wurde später bekehrt. Er war noch ein junger Mann, als Stephanus gesteinigt wurde. Er bewachte die Kleider derjenigen, welche sich an dieser Handlung beteiligten: «Und die Zeugen legten ab ihre Kleider zu den Füßen eines Jünglings, der hieß Saulus (Apg. 7:57). Die Schriften des Paulus konnten daher nicht vor diejenigen der Apostel Matthäus, Petrus, Jakobus und Johannes gesetzt werden. Außerdem war es doch so, dass Paulus in Judäa eine bereits bestehende christliche Kirche verfolgte, die unbedingt schriftliche Unterlagen über Jesu Botschaft, Seinen Tod und Seine Auferstehung besitzen musste, um das Evangelium Jesu Christi predigen und lehren zu können.
Paulus, Markus und Lukas waren jüdische Konvertiten, die — gleich den Missionaren unserer Tage — Evangeliendokumente auf ihre Missonsreisen mitnahmen. In seinem zweiten Brief an Timotheus verlangt Paulus von ihm, er solle den Buchbehälter und die Bücher mitbringen, die er in Troas bei Karpus gelassen hatte (2. Tım. 4:13) Der altaramäische Peschittatext spricht nicht von einem „Mantel“, sondern von einem „Behälter für Bücher und von Schriftrollen“. Warum sollte Paulus sich so sehr um einen Mantel gesorgt haben? Der Schreibende hat mit eigenen Augen gesehen, wie englische und amerikanische Missionare bei ihrer Ankunft im Nahen Osten mehr als fünfhundert in ihrer Sprache gedruckte Bibeln mitbrachten. Paulus hätte nicht ohne das geschriebene Evangelium reisen und, ohne die Frohbotschaft Jesu Christi studiert zu haben, darüber predigen können. In seinem ersten Brief an Timotheus spricht Paulus über die Worte Jesu, d. h. über das geschriebene Evangelium Jesu (1. Tim. 6:3, 4):
«Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die gemäß ist der Gottesfurcht, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern hat die Seuche der Fragen und Wortkriege, aus welchen entspringt Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn.»
Paulus zitiert aus dem Matthäus-Evangelium (1. Kor. 11:23, 24, laut dem aramäischen Text) wie folgt:
«Denn ich habe es von dem Herrn empfangen, was ich euch gegeben habe: dass unser Herr Jesus in einer Nacht, da Er verraten wurde, Brot nahm. Und nachdem er gedankt hatte, brach Er es und sprach: Nehmet, esset; dies ist mein Leib, der für euch gebrochen (geopfert) wird; tut dies zur Erinnerung an mich. Ebenso gab Er ihnen nach dem Mahl auch den Becher und sagte: Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut; tut dies, so oft ihr daraus trinkt, in Erinnerung an mich.»
Paulus muss das Matthäus-Evangelium gelesen haben (siehe Mt. 26 : 26). Nach seiner Bekehrung verbrachte Paulus drei Jahre in der arabischen Wüste, wo er sich in die Lehre Jesu vertiefte (Gal. 1: 17, 18). Er war ein Pharisäer und Verteidiger jüdischer Gesetze und Traditionen. Die Richtung, zu der er gehörte, hielt stets treu zu den Gesetzen und Bräuchen der jüdischen Vorväter. Die Pharisäer verurteilten jene, die den jüdischen Glauben verließen und sich zum Christentum bekannten. Sie wollten keine Gemeinschaft mit Syrern und Griechen haben. Die fünf Bücher Moses wurden aramäisch in jeder Synagoge und Schule, wie auch in jedem Tempel gelesen. Beim Schreiben gebrauchte man ganz allgemein das Aramäische. Die Juden verfassten die Scheidungspapiere und andere gesetzliche Dokumente in dieser Sprache. Die Apostel und die Ältesten schrieben Briefe an die Christen Antiochias in Syrien und wiesen sie an, sich des Genusses von Blut und des Fleisches von Götzenopfern, sowie der Unzucht zu enthalten (Apg. 15: 23-29). Das Aramäische war die Sprache der jüdischen Regierung, der Gerichte und in den Synagogen. Die Apostel schrieben in derselben Sprache Hirtenbriefe an die Kirchen in Kleinasien und andern Ländern. Alle Briefe des Paulus waren aramäisch abgefasst. Seine ersten Bekehrten waren Juden und Syrer (Aramäer).
Ganz analoge Verhältnisse liegen heute bei den amerikanischen Missionaren vor. Für alle Korrespondenz zwischen ihnen — wo in der Welt sie sich auch befinden mögen — und ihrem Missionshauptquartier in New York wird die englische Sprache verwendet. In den Briefen, die sie einander von einem Land zum andern senden, bedienen sie sich ebenfalls des Englischen. So schickten z. B. englische Bischöfe die Hirtenbriefe an ihre Kirchen in Südamerika in englischer und nicht in spanischer Sprache. Desgleichen schreiben griechische, assyrische und syrische Bischöfe, wenn sie mit ihren Geistlichen in Nordamerika korrespondieren, in ihrer jeweiligen Muttersprache.
Es gibt Leute, die zur irrtümlichen Annahme verleitet werden, Paulus hätte griechisch schreiben müssen, weil er sechs Monate oder ein Jahr in einer griechischen Stadt zugebracht hat. Der Verfasser kennt gewisse Amerikaner, die fünfundzwanzig Jahre im Nahen Osten gelebt haben und sich immer noch des Englischen bedienen. Andere Leute behaupten, Paulus hätte unbedingt griechisch schreiben müssen, weil er ein geschulter Mann war. Es gibt viele Tausende von studierten Amerikanern und Europäer, die in fremden Ländern wohnen und dennoch weiterhin in ihrer eigenen Muttersprache korrespondieren.
Quelle:
"Ursprung des Neuen Testamentes" George M Lamsa / Neuer Johannesverlag. Reinhold Zbinden AG Bern

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Die Paulusbriefe: S. 73 - 75
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Hier noch etwas zu den Briefen des Paulus: aus der gleichen Quelle:

"Die paulinischen Briefe sind Hirtenbriefe in der Art, wie römisch-katholische und östliche Bischöfe sie an ihre Kongregationen richten. Alle Briefe sind an Nachkommen der Zehn Stämme und jüdische Christen adressiert, die in Kleinasien, Griechenland und Italien lebten. Auch «in der Zerstreuung», d. h. auch nachdem sie ihre Heimat hatten verlassen müssen, blieben die Juden ihre alte Muttersprache, dem Aramäischen, treu und hielten sich streng an ihre überlieferten semitischen Gewohnheiten und Lebensregeln. Sie waren ihren heidnischen Nachbarn nur schon aus dem Grunde verhasst, weil sie sich absonderten und an ihre alte Kultur, Religion und Sprache klammerten. Sogar bis ins zwölfte Jahrhundert wurden sie in Europa verfolgt und viele von ihnen einzig deshalb grausam ermordet, weil sie sich weigerten, anstelle des Glaubens ihrer Väter und ihrer überlieferten Bräuche fremde Lehren anzunehmen und zur Bilderverehrung überzugehen, die im Widerspruch zu den Geboten ihrer Propheten standen. Hätten die Juden ihre aramäische Muttersprache aufgegeben, in welcher der palästinensische und der babylonische Talmud geschrieben sind, dann wäre ihnen auch ihr Glaube verloren gegangen. Es ist eine Tatsache, dass ihre heilige Literatur ihnen half, ihren Glauben eifersüchtig zu hüten und ihre rassische Eigenheit zu bewahren, selbst in Zeiten, da alles dunkel und hoffnungslos zu sein schien.

Die Errichtung und Organisation der frühchristlichen Kirchen in diesen Ländern ist großenteils das Verdienst des Paulus. Während all seinen Reisen sprach er in jüdischen Synagogen, wodurch viele Menschen bekehrt wurden. Aus kleinen Gruppen von Nachfolgern aus den Synagogen und von andern Interessenten, besonders solchen, die in jüdische Familien eingeheiratet hatten, bildete er Zirkel von Gläubigen, die dann in ihren Häusern zusammenkamen und eigene, von den jüdischen Synagogen getrennte Organisationen formten, Die Anhänger dieser Gruppen nannte man Meschikaye (= Christen), um sie von den Juden zu unterscheiden. Dies war nötig, denn beide, die Juden und die Christen, sprachen aramäisch, hingen mehr oder weniger denselben Bräuchen an und pflegten dasselbe kulturelle Leben. Die Griechen und andere Heiden erkannten die theologischen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen nicht und nannten alle zusammen einfach «Juden». So wurde Paulus z. B. von den Heiden angeklagt, ein jüdischer Unruhestifter zu sein, der versuchte, ihre Sitten, Religion und Lebensgewohnheiten zu verändern (Apg. 16 : 20-23).

Die Briefe enthielten Ermahnungen zum Zuchthalten, Lehren und Warnungen; insbesondere Warnungen vor falschen Lehrern, die aus Palästina gekommen waren und unter den Gläubigen Unruhen hervorriefen. Viele der Bekehrten waren einfache, ungeschulte und in Religionsfragen und der Heiligen Schrift nicht sehr bewanderte Leute. Solche Lehrer konnten das unwissende Volk leicht falsch leiten. Sie stritten die Auferstehung Jesu Christi ab und ermahnten ihre Zuhörer, an den jüdischen Gesetzen und Ritualen, an der Beschneidung und andern rabbinischen Vorschriften festzuhalten. Die damaligen Juden waren Anhänger verschiedener Sekten. Die einen glaubten an die Auferstehung des Körpers, die andern verneinten sie. Daher übten solche jüdische Lehrer, die das Christentum angenommen hatten, in diesen Ländern großen Einfluss auf christliche Bekehrte aus, wodurch manche Christen wiederum zum jüdischen Glauben zurückkehrten. In allen seinen Briefen versuchte Paulus den jüdischen Christen zu beweisen, dass Jesus von Nazareth der verheißene Messias war; dass die alttestamentlichen Prophezeiungen in Ihm erfüllt wurden; dass das Kreuz als Mittel zur Erlösung nötig und Jesu Auferstehung symbolisch für unsere eigene Auferstehung war. Weiterhin bemühte er sich, den Juden deutlich zu machen, dass die Stiftshütte, der Tempel und die mosaischen Vorschriften und Rituale der Vergangenheit angehörten und alle auf Christus hinwiesen und in Ihm ihre Erfüllung fanden. Diese Hirtenbriefe wären von Paulus wohl nie geschrieben worden, hätten sich unter den Christen Kleinasiens, Griechenlands und Italiens nicht Häresien und Streitigkeiten entwickelt. Vermutlich hat Paulus noch viele andere, wertvolle Briefe an dieselben und auch an andere Adressaten gerichtet, die jedoch verlorengegangen sind oder vernichtet wurden.

Der Inhalt der paulinischen Briefe ist dem griechischen und römischen Gedankengut vollkommen fremd. Er steht aber in vollständiger Übereinstimmung mit den Lehren Jesu und mit der semitischen Vorstellungswelt und ihren Einrichtungen. Die Griechen und die Römer jener Zeit glaubten nicht an eine Auferstehung des Körpers, noch hatten sie Interesse an jüdischer Theologie und Sitte. Die Griechen bemühten sich um die Verbreitung ihrer eigenen heidnischen Religion und bekämpften beide, das Judentum und das Christentum aufs heftigste. Zu wiederholten Malen steinigten sie Paulus und seine Begleiter und vertrieben sie aus ihren Städten.

Nach orientalischer Überlieferung ist Paulus der Autor aller vierzehn neutestamentlichen Briefe, die nicht spezifisch einem andern zugeschrieben werden; einschließlich des Hebräerbriefes, dessen Stil und Ausdrucksweise mit den übrigen paulinischen Briefen übereinstimmt. Es ist natürlich richtig, dass der Hebräerbrief im Begrüßungsabschnitt den Namen des Schreibers nicht nennt, wie dies bei den andern der Fall ist. Das kann daher kommen, dass die erste Schriftrolle dieses Briefes offensichtlich verlorengegangen ist. Orientalen schreiben nie irgendwelche Briefe ohne den Namen des Verfassers in der Begrüßung zu nennen. Dies trifft auch heute noch auf die Hirtenbriefe zu, die an Kirchgemeinden gesandt werden. Das Fehlen oder der Verlust des normalen einführenden Abschnittes mit der Begrüßung macht es unverkennbar, dass die ursprünglich vorhandene Einleitung verschwunden ist. Der uns vorliegende Brief beginnt abrupt und der im ersten Vers ausgedrückte Gedanke zeigt an, dass ihm ein nicht mehr existierender Teil des Schreibens vorangegangen war. Als Grund gegen die Autorschaft des Paulus wird angeführt, dass er in diesem Briefe weder Tempeldienst noch jüdisches Ritual im einzelnen beschreibt. Die Erklärung für die nur kurze Erwähnung dieser jüdischen Institutionen liegt darin, dass Paulus hier an Hebräer schreibt, die natürlich mit dem jüdischen Priestertum, der Stiftshütte und den Tempelritualen vollständig auf der Höhe waren. Hätte der Brief Gemeinden in Griechenland oder Rom gegolten, dann wäre Paulus zweifellos auf eine nähere Beschreibung des Tempels und jüdischer Riten und Verfügungen eingetreten."
Quelle:
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Die Paulusbriefe: S. 73 - 75
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von Klee »

rellasch hat geschrieben: Di 7. Nov 2023, 21:38 Markus hatte offenbar keinen Zugang zu gewissen Scrolls, die wesentliche Teile des Matthäus-Evangeliums enthielten. Dies ist offensichtlich der Grund, weshalb in seinem Bericht die ganze Bergpredigt fehlt, einer der wichtigsten Abschnitte des Matthäus-Evangeliums und der Lehre Jesu.
Wenn ich auch zu Manchem der historischen Erzählung "ja" sage, ist deine Einschätzung hier komplett verkehrt. Das liegt eben daran, dass die Evangelien nur von der historischen Sicht gesehen werden, aber ihr EIGENTLICHER Inhalt samt der Struktur, mit der sie verfasst wurden, ist unbekannt!
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von Klee »

Gleiches gilt für die Paulusbriefe und anderer Schreiber. Da passt so manche Formulierung nicht als "Brief". Bei den Apogoleten finden sich Hinweise zu den weisen Lehren und den Denkrichtungen damaliger Zeit. Ist aber hier nicht passend und zu umfangreich.

Bei Aramäern kommt, wie auch bei semitischen Sprachen Afrikas, das Evangelium ganz "anders" rüber. Das liegt am Wortschatz, wie ich schon oft zu erklären versucht habe. Daher ist Afrika gläubig, während in Europa mit Bibelübersetzungen herummanipuliert wird und wegen "wissenschaftlicher" Erkenntnisse die Angaben bezweifelt werden.
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Klee hat geschrieben: Mi 8. Nov 2023, 19:52 Wenn ich auch zu Manchem der historischen Erzählung "ja" sage, ist deine Einschätzung hier komplett verkehrt.
ist nicht meine - Lamas ist aramäischer Theologe und schöpft aus der aramäischen Überlieferung der orientalischen Kirchen
Ich habe oben den Verweis drin
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Ich finde seine Darstellung deswegen interessant und sinnig, weil sie zum Einen unserer eigenen Überlieferung entgegengeht (und man aus Widersprüchen immer was lernt) und zum anderen in sich schlüssig ist.

Wenn man einzelnes herausgreift natürlich nicht - aber wenn die christliche Überlieferung einerseits mit einer Vielfalt von Schriften, Aufzeichnungen und Zusammenfassungen beginnt = die dann (unter Führung des Heiligen Geistes) zu einem großen Kanon zusammengefasst werden, dann haben natürlich die Evangelisten auch ihr eigenes Konzept.

Der Ausdruck dass dem Markus eben etwas nicht vorlag, mag seltsam klingen - aber es kann ja auch der heilige Geist gewesen sein - der ihm das vorhielt

Es ist ein in sich geschlossene Weltsicht. Ich stelle mal die aramäische Kirchengeschichte aus der gleichen Quelle ein
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

KURZER GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK ÜBER DIE FRÜHZEIT DER KIRCHE DES OSTENS

Das Christentum nahm seinen Anfang in Galiläa, als Jesus dort predigte.

Er war der Gründer dieses Glaubens und nicht Seine Apostel. Er war der köstliche Eckstein, den die Juden verworfen haben. Seine ersten Bekenner waren Galiläer, die mit Seiner neuen Bewegung identifiziert wurden. Zuerst nannte man sie Nazarener und später Mshikhaye (== Christen). Im Orient verbreitete diese neue Glaubensrichtung sich von ihrem ersten Beginn an längs semitischen Gedankenbahnen und ist dort bis auf den heutigen Tag von der westlichen Theologie völlig unbeeinflusst geblieben. Das Königreich von Edessa (==Urkhai was «Ort des Lebens» bedeutet, heute bekannt als Urfa) wurde durch Thaddäus, einen der Zwölf, und Mari (gestorben anno 82 in Ktesiphon bei Bagdad), einen der Siebzig, christianisiert. Die geographische Lage des Gebietes und die Verwandtschaft in Sprache und Bräuchen machten es den galiläischen Missionaren leichter, zuerst an diejenigen Menschen heranzutreten, die ihnen ihrer Art nach nahestanden. Damit befanden sie sich auch in Übereinstimmung mit dem Auftrag ihres Herrn: «Gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel» (= den verlorenen Zehn Stämmen). Sie waren gefangen weggeführt und im Einzugsgebiet des Flusses Khabur (= Habor), in der Gegend von Edessa, in Mesopotamien und in Persien angesiedelt worden. Lange zuvor hatten die Propheten geweissagt, der Messias (Christus) werde die zerstreuten Völker Israels wieder sammeln.

Abgarus von Ukkäma, der König von Edessa, schrieb Jesus und lud Ihn ein, in seine Stadt zu kommen. Jesus versprach ihm, einen Seiner Jünger zu senden. Die in den drei großen griechischen Kodizes «Griechen» genannten Besucher, die Jesus persönlich sehen wollten, waren wahrscheinlich Männer aus Edessa. Die östliche Heilige Schrift nennt sie «Heiden» und nicht «Griechen» (Joh. 12 : 20, 21). Ihre Sprache war dieselbe wie die der Galiläer (nordaramäisch). Eusebius betont die auffallend starke und rasche Verbreitung des Christentums in Edessa von der apostolischen Zeit an; die starke Stellung, die es in jener Gegend einnahm, und die wichtige Rolle dieser Stadt bei der Verbreitung des Christentums in den Ländern östlich des Euphrats und in Persien.

Edessa wurde ein Evangelisationszentrum im Osten, wie Antiochia in Syrien es für den Westen war, Von Edessa aus zogen Missionare nach Persien und in andere Länder des Orients, Der Apostel Thomas berührte es auf seinem Weg zur Malabarküste in Indien. Edessa litt stark während der Parther- und Römerkriege. Das römische Heer unter Crassus wurde im Jahre 53 v.Chr. bei Carrhae (nahe beim alten Haran von Thara und Abram) geschlagen. Im Jahre 162 n.Chr, brach unter der Herrschaft des Kaisers Marcus Aurelius Antoninus, Armeniens und des kleinen edessenischen (= osroenischen) Königreichs mit der Hauptstadt Urkhai (= Edessa) wegen wiederum Krieg aus, Diesmal siegten die Römer, Die grosse Stadt Seleucia in Persien wurde von den Kriegerscharen des Avidius Cassius zerstört. Danach verschwand in Mesopotamien auch der letzte Rest dessen, was an griechischer Kultur dort noch bestanden hatte, und machte vollständig dem Aramäischen Platz.
Der Wechsel vom Griechischen zum Aramäischen in diesem Teil des Orients, wo es durch die griechische Eroberung Asiens im dritten vorchristlichen Jahrhundert eingeführt worden war, fand zu jener Zeit statt, da das Christentum sich in Syrien und Persien durch das Aramäische weit verbreitete. Der Edessa Dialekt war seine Sprache, und Edessa wurde ein wichtiges literarisches Zentrum des Aramäischen. Das Griechische verschwand aus den Provinzen des Euphrattales. Höchstens einige Gelehrte kannten es noch. Nach kurzer Zeit war es dann in ganz Mesopotamien völlig ausgestorben.

Vor der Bekehrung Konstantins und dem Vertrag zwischen Persien und Rom bewegten sich fortwährend Ströme von Gefangenen nach dem Osten hin. Unter der Sassaniden-Dynastie drangen die Perser – indem sie alles vor sich niederbrannten und viele Gefangene machten – sogar bis nach Antiochia und Jerusalem vor. Während die Römer jedoch noch damit fortfuhren, die Christen zu verfolgen, wurden diese von den Persern, die sie als Feinde Roms betrachteten, geduldet. So kam es, dass die Christen sich im römischen Kaiserreich verbergen mussten, während ihre Brüder sich in Persien der Freiheit und des Wohlstandes erfreuten und gute Organisationen besassen. Christliche Schulen wurden an vielen Orten des Orients errichtet, z.B. in Edessa und in Gundi-Shapur. Schriftsteller wie Bar-Desan (154-222), Aphraates (280-350) und Ephraim (4. Jahrhundert) kommentierten die Bibel.
Aphraates wurde Bischof des Matthäus-Klosters bei Mosul. Dieser berühmte Autor erwähnte das in seiner aramäischen Muttersprache geschriebene Neue Testament auf dem ersten Konzil von Nikäa (325 n. Chr.), und nach seinem Tode bestätigten die Bischöfe der Kirche des Ostens dies wiederum auf dem in der persischen Hauptstadt Seleukia abgehaltenen Konzil

Christenverfolgungen begannen in Persien erst um die Mitte des vierten Jahrhunderts, einige Zeit nachdem das römische Reich das Christentum als Staatsreligion angenommen hatte. Damit änderte sich die Haltung der persischen Regierung gegenüber ihren christlichen Untertanen, denn nun wurden diese verdächtigt, Verbündete Roms zu sein. Obwohl viele den Märtyrertod starben und zahlreiche kirchliche Gebäude zerstört wurden, hatte die Kirche des Ostens in jener Zeit jedoch bereits überall festen Fuss gefasst. Einige der persischen Herrscher waren ihren Patriarchen sogar wohlgesinnt, und nicht wenige der Prinzen und hohen Beamten hatten sich zum Christentum bekehrt, Sowohl persische wie assyrische Christen bekleideten einflussreiche Ämter als Ärzte, Erzieher und Financiers im Dienste des persischen «Königs der Könige». Man darf auch nicht vergessen, dass zu jener Zeit Kopien der Heiligen Bücher und andere Schriften bereits weit verbreitet waren und sich auch Kommentare im Umlauf befanden.

Die Kirche des Ostens spielte in der Geschichte des Christentums eine hervorragende Rolle. Sie leistete sowohl den römischen wie den persischen Verfolgungen erfolgreich Widerstand. Der oströmische (byzantinische) Kaiser Zeno versuchte hartnäckig und mit allen Mitteln, ihre Anhänger zur Annahme des Bilderdienstes und zur Verehrung von Maria als Mutter Gottes zu zwingen, aber – wiewohl Tausende dieser Christen wegen ihrer Weigerung getötet wurden —.die Kirche blieb ihren apostolischen Lehren doch treu. Die auf dem ersten Konzil von Ephesos im Jahre 431 erfolgte Trennung der Kirche des Westens von der Kirche des Ostens isolierte die Christen des Orients, die danach völlig allein standen, um dem gewaltigen Ansturm der Heere des Islams die Stirne zu bieten. Trotzdem behauptete damals die Kirche weitgehend ihre Stellung und fuhr fort, Missionare nach Indien und sogar bis China und anderswohin zu senden, und nahm noch an Stärke zu.

Der Wendepunkt in der Entwicklung der Kirche des Ostens fiel in die Zeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert mit dem Erscheinen von Dschinggis Khan, Hulagu und Tamerlan. Sie erlitt damals unermessliche Verluste an Menschenleben und Besitz. Viele grosse Gebiete wurden durch die Tartarenhorden vollständig entvölkert; Kirchen und Klöster fielen der Verwüstung anheim; alle Diözesen im unteren Mesopotamien und in Persien wurden vernichtet. Diese Katastrophe war so total, dass die Kirche des Ostens sich seither nie mehr davon erholt hat. Einzig und allein in den entlegenen und schwer zugänglichen gebirgigen Teilen Kurdistans entrann sie der Zerstörungswut der Mongolen, und ihre Organisation blieb bis zum (ersten) Weltkrieg ununterbrochen intakt. In der Nähe von Mosul und von Bagdad fristet sie heute in sehr geschwächtem Zustand und äusserst verkleinertem Umfang ein kümmerliches Dasein.
Quelle:

Die Evangelien in Aramäischer Sicht, George M Lamsa / Neuer Johannesverlag Lugano 9. Auflage 1963

Kurzer Überblick über die Frühzeit der Kirche des Ostens - S. 43 - 47
"Durch IHN, SEINE Gnade, Kraft und Zuwendung existieren wir" (Apg 17,28)
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rellasch
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Re: Die aramäische Tradition zur Entstehung der Evangelien

Beitrag von rellasch »

Der aramäische Kulturkreis ist etwas völlig anderes als unser Kulturkreis - und ich denke, es ist durchaus sinnvoll sich damit zu beschäftigen = aber beurteilen können wir das nicht.

Ich war lange Zeit regelmäßig in Kontakt mit einer Gemeinde der Syrisch-Aramäischen Kirche - wunderschön, gehaltvoll und exotisch = aber ich als Europäer hatte da nie wirklich (inneren) Zugang.
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