Die christliche Kirche hatte zur Zeit des Paulus, Markus und Lukas bereits große Ausbreitung gewonnen und hatte sich in Palästina wie in Syrien schon gut festgesetzt; das Evangelium Jesu war in weiten Kreisen bekannt geworden, Paulus beauftragte Timotheus, die Schriften zu studieren, schrieb er ihm doch: «Studiere eifrig und fahre im Beten und Lehren fort, bis ich komme» (1. Tim. 4: 13,), Dabei interessierte Paulus nicht das Alte Testament, wohl aber war er mit größtem Eifer dabei, den tiefen geistigen Inhalt von Jesu Leben und Lehre weiterzuverbreiten.
Wir müssen uns die Bedeutung dessen vergegenwärtigen, dass die alte Kirche das Matthäus-Evangelium an die Spitze gestellt hat, denn es war das Erstgeschriebene. Das will besagen, dass es das erste bekannte Dokument war, das in den Kirchgemeinden vorgelesen wurde. Dies geht aus den Briefen des Paulus deutlich hervor, der an vielen Stellen die Worte Jesu anführt. Manchesmal unterstreicht er bei der Erwähnung gewisser Lehren: «Den Ehelichen aber gebiete nicht ich, sondern der Herr» (1. Kor. 7:10), während er bei andern Gelegenheiten präzissert: «Den andern aber sage ich, nicht der Herr» (1. Kor. 7:12). Paulus musste schriftliche Dokumente studiert haben, um predigen, lehren und die Ältesten ermahnen zu können.
Im Kanon des ursprünglichen Estrangelo-Peschittatextes folgten die Briefe des Paulus nach denen des Jakobus, Petrus und Johannes, denn Paulus wurde später bekehrt. Er war noch ein junger Mann, als Stephanus gesteinigt wurde. Er bewachte die Kleider derjenigen, welche sich an dieser Handlung beteiligten: «Und die Zeugen legten ab ihre Kleider zu den Füßen eines Jünglings, der hieß Saulus (Apg. 7:57). Die Schriften des Paulus konnten daher nicht vor diejenigen der Apostel Matthäus, Petrus, Jakobus und Johannes gesetzt werden. Außerdem war es doch so, dass Paulus in Judäa eine bereits bestehende christliche Kirche verfolgte, die unbedingt schriftliche Unterlagen über Jesu Botschaft, Seinen Tod und Seine Auferstehung besitzen musste, um das Evangelium Jesu Christi predigen und lehren zu können.
Paulus, Markus und Lukas waren jüdische Konvertiten, die — gleich den Missionaren unserer Tage — Evangeliendokumente auf ihre Missonsreisen mitnahmen. In seinem zweiten Brief an Timotheus verlangt Paulus von ihm, er solle den Buchbehälter und die Bücher mitbringen, die er in Troas bei Karpus gelassen hatte (2. Tım. 4:13) Der altaramäische Peschittatext spricht nicht von einem „Mantel“, sondern von einem „Behälter für Bücher und von Schriftrollen“. Warum sollte Paulus sich so sehr um einen Mantel gesorgt haben? Der Schreibende hat mit eigenen Augen gesehen, wie englische und amerikanische Missionare bei ihrer Ankunft im Nahen Osten mehr als fünfhundert in ihrer Sprache gedruckte Bibeln mitbrachten. Paulus hätte nicht ohne das geschriebene Evangelium reisen und, ohne die Frohbotschaft Jesu Christi studiert zu haben, darüber predigen können. In seinem ersten Brief an Timotheus spricht Paulus über die Worte Jesu, d. h. über das geschriebene Evangelium Jesu (1. Tim. 6:3, 4):
«Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die gemäß ist der Gottesfurcht, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern hat die Seuche der Fragen und Wortkriege, aus welchen entspringt Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn.»
Paulus zitiert aus dem Matthäus-Evangelium (1. Kor. 11:23, 24, laut dem aramäischen Text) wie folgt:
«Denn ich habe es von dem Herrn empfangen, was ich euch gegeben habe: dass unser Herr Jesus in einer Nacht, da Er verraten wurde, Brot nahm. Und nachdem er gedankt hatte, brach Er es und sprach: Nehmet, esset; dies ist mein Leib, der für euch gebrochen (geopfert) wird; tut dies zur Erinnerung an mich. Ebenso gab Er ihnen nach dem Mahl auch den Becher und sagte: Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut; tut dies, so oft ihr daraus trinkt, in Erinnerung an mich.»
Paulus muss das Matthäus-Evangelium gelesen haben (siehe Mt. 26 : 26). Nach seiner Bekehrung verbrachte Paulus drei Jahre in der arabischen Wüste, wo er sich in die Lehre Jesu vertiefte (Gal. 1: 17, 18). Er war ein Pharisäer und Verteidiger jüdischer Gesetze und Traditionen. Die Richtung, zu der er gehörte, hielt stets treu zu den Gesetzen und Bräuchen der jüdischen Vorväter. Die Pharisäer verurteilten jene, die den jüdischen Glauben verließen und sich zum Christentum bekannten. Sie wollten keine Gemeinschaft mit Syrern und Griechen haben. Die fünf Bücher Moses wurden aramäisch in jeder Synagoge und Schule, wie auch in jedem Tempel gelesen. Beim Schreiben gebrauchte man ganz allgemein das Aramäische. Die Juden verfassten die Scheidungspapiere und andere gesetzliche Dokumente in dieser Sprache. Die Apostel und die Ältesten schrieben Briefe an die Christen Antiochias in Syrien und wiesen sie an, sich des Genusses von Blut und des Fleisches von Götzenopfern, sowie der Unzucht zu enthalten (Apg. 15: 23-29). Das Aramäische war die Sprache der jüdischen Regierung, der Gerichte und in den Synagogen. Die Apostel schrieben in derselben Sprache Hirtenbriefe an die Kirchen in Kleinasien und andern Ländern. Alle Briefe des Paulus waren aramäisch abgefasst. Seine ersten Bekehrten waren Juden und Syrer (Aramäer).
Ganz analoge Verhältnisse liegen heute bei den amerikanischen Missionaren vor. Für alle Korrespondenz zwischen ihnen — wo in der Welt sie sich auch befinden mögen — und ihrem Missionshauptquartier in New York wird die englische Sprache verwendet. In den Briefen, die sie einander von einem Land zum andern senden, bedienen sie sich ebenfalls des Englischen. So schickten z. B. englische Bischöfe die Hirtenbriefe an ihre Kirchen in Südamerika in englischer und nicht in spanischer Sprache. Desgleichen schreiben griechische, assyrische und syrische Bischöfe, wenn sie mit ihren Geistlichen in Nordamerika korrespondieren, in ihrer jeweiligen Muttersprache.
Es gibt Leute, die zur irrtümlichen Annahme verleitet werden, Paulus hätte griechisch schreiben müssen, weil er sechs Monate oder ein Jahr in einer griechischen Stadt zugebracht hat. Der Verfasser kennt gewisse Amerikaner, die fünfundzwanzig Jahre im Nahen Osten gelebt haben und sich immer noch des Englischen bedienen. Andere Leute behaupten, Paulus hätte unbedingt griechisch schreiben müssen, weil er ein geschulter Mann war. Es gibt viele Tausende von studierten Amerikanern und Europäer, die in fremden Ländern wohnen und dennoch weiterhin in ihrer eigenen Muttersprache korrespondieren.