Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15Musst Du immer Ungezogenheiten einbauen? - Sieh es einfach so: Hume lebte in einer Zeit, in der es auch für ihn undenkbar gewesen wäre, die Existenz Gottes in Frage zu stellen. Oder gibt es bei Hume eine Äußerung, in der er Gott in seiner Existenz prinzipiell in Frage stellt? (Kann ja sein, aber mir ist da nichts Diesbezügliches über den Weg gelaufen). Ich kenne eigentlich die englische Aufklärung eher als eine Veranstaltung, auf der man versucht, den Theismus irgendwie mit dem zu fassen, was man selber "enlightened" nennt.
Das hätte Hume aber gar nicht gefallen, zur englischen Aufklärung gerechnet zu werden.
Und dass keine Äußerung existiert, in der er sich explizit zum Atheismus bekennt, macht ihn nicht zu "dediziert gottgläubig". Ihm das zu unterstellen, passt wirklich nicht zu seinem Werk in seiner Gesamtheit.
Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15Wenn Du "Aufklärung" irgendwann im 15. Jahrhundert anfangen lässt und im 21. Jahrhundert enden lässt, ist dies ganz sicher so. Dass es unter den vielen Aufklärern auch Atheisten gab, sei doch gegönnt. Mir geht es darum, dass sich die Aufklärung trotz aller Bemühungen, Dinge systematisch und gottunabhängig zu erklären, in der Tradition des Christentums wusste. Erst im Lauf des 19. Jh. wurde der Aufklärungs-Mainstream materialistisch/atheistisch/existenzialistisch/naturalistisch. Versuche einfach mal die große Linie zu sehen.
Ich hab doch nicht behauptet, die Aufklärung wäre atheistisch gewesen. Nur, dass es starke anti-christlichen Strömungen gab.
Während der Französischen Revolution wurde der Klerus enteignet, Priester mussten auf die Verfassung schwören (und wurden inhaftiert, falls sie sich weigerten). Zum Höhepunkt der jakobinischen Schreckensherrschaft wurde die öffentliche Ausübung des Christentums sogar verboten und an seine Stelle traten die Revolutionskulte. Wie der
Kult des höchsten Wesens von Robespierre, der zwar theistisch, aber klar anti-christlich war.
Das war im 18. Jh. schon voll im Gange.
Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15
Du machst immer wieder denselben Fehler: Du verwechselst Wissenschaft mit Geist. Im wissenschaftlichen Ansatz kann man sagen "Descartes hat sich bei seiner Zwirbeldrüsen-Auffassung geirrt" oder "Sein Gottesbeweis war zirkelschlüssig". Geistig interessiert so etwas wenig, weil man da fragt, welche geistigen Konsequenzen sein Werk hat (sogar dann, wenn Descartes die Reichweite einiger seiner Gedanken selbst gar nicht richtig verstanden hätte). Dies ist selbstverständlich im strengen Sinn des Wortes unwissenschaftlich, aber solches Denken wird ebenfalls gebraucht.
Du benutzt "geistig" wie einen Joker, wenn Du nicht mehr weiter weißt, aber irgendwelchen Unfug trotzdem durchdrücken willst. Aber ein Zirkelschluss ist auch "geistig" ein Fehler. Philosophie muss rational sein, ist sie nicht mehr rational, dann ist sie Mystik, oder Kunst oder ... Unfug, aber definitiv nicht Philosophie.
Es stimmt, wenn es um Philosophiegeschichte geht, dann ist es natürlich unklug nach dem Motto
"Descartes hat einen Zirkelschluss begangen, da brauche ich den Rest der Meditationen gar nicht zu lesen" vorzugehen.
Und natürlich ist es richtig, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten sollte. Viele Philosophen haben sich auch auf anderen Gebieten beschäftigt, aber ihre Fehler da tangieren ihre Philosophie nicht. Es ist für Aristoteles' Philosophie z.B. irrelevant, dass er fälschlicherweise meinte, dass Frauen weniger Zähne als Männer hätten.
Aber bei fundamentaleren Angelegenheiten gilt das nicht unbedingt. Z.B. ist die Existenz punktförmiger Elementarteilchen für Descartes' Definition der
res extensae ein echtes Problem.
Und wenn gar bei einem zentralen Argument ein logischer Fehler unterläuft, dann kollabiert alles. Worauf läuft der Cartesianismus denn hinaus, ohne seinen Gottesbeweis? Es bleibt der reine Skeptizismus. Das Cogito steht nun völlig alleine dar. Nichts ergibt mehr einen Sinn.
Aber Schluss jetzt mit Descartes, das ist alles off-topic.
Nicht schon wieder! Mein Standpunkt ist jedoch: "Geistig" ist keine legitime General-Ausrede für Unfug.
Bzgl. dem Naturrecht der RKK ist das Problem eben die aristotelische Metaphysik (da kannst Du 1000 Mal "geistig" einwenden; das Naturrecht wird und wurde nicht "geistig" verstanden). Von Aristoteles' vier Aitia ist nur noch eine geblieben: die Wirkursache, so scheint es zumindest.
Man nehme die Feststellung, dass reflektierte Lichtstrahlen ihre Laufzeit zwischen Punkten A und B minimieren. Mit ein bisschen elementarer Analysis stellt sich jedoch heraus, dass dies einfach nur ein Effekt von Einfallswinkel = Austrittswinkel ist, und sich die ganze Sache ohne Teleologie des Lichtstrahls erklären lässt.
Solche Beispiele gibt es viele, allzu viele. Die Naturwissenschaft ist voll davon.
Ich denke, moderne Philosophien gehen zu weit, wenn sie behaupten, dass es Teleologie (Zweckursache) gar nicht gibt. Denn es gibt bei der Eliminierung der Zweckursache auch viele Widersprüche, und daher gibt es auch wieder mehr Philosophen und Naturwissenschaftler, die mit aristotelischen Ideen ... sympathisieren. Wie Thomas Nagel oder Stuart Kauffman.
Aber mehr ist es halt nicht und keiner kann bestreiten, dass die Zweckursache weit zurückgedrängt wurde. Die RKK lebt einfach noch im Mittelalter, wenn sie immer noch in der Form darauf herumreitet.
Im Mittelalter konnte man das alles unproblematisch glauben, aber jetzt nicht mehr. Da hilft Deine Vorstellung von
"es ist doch nur eine geistige Methode, die Natur zu interpretieren" und
"Vorannahmen blubb" nicht weiter. Das ist so schwach! Nichts als billige, dürftigste Ausflüchte. Die RKK verstand und versteht das Naturrecht nicht so. Man meint keine "geistigen Ansatz" eine verborgene Ordnung in der Natur zu erfassen, sondern etwas viel Handfesteres.
Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15
Was zwischen 1000 und 1300 passiert ist, kann man/müsste ich nachlesen - allerdings müsste ich vorher wissen, was eigentlich das Ziel ist. Diese Frage gebe ich hiermit an Dich weiter.
Na was für eine Rolle das Naturrecht und Thomas in der RKK oder im Christentum allgemein spielen sollte. Sonderlich "segensreich" hat es sich allem Anschein nach nicht ausgewirkt. Denn dann war Schluss mit der relativen Toleranz.
Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15
Problematisch finde ich, wenn Du den Eindruck erweckst, das, was Du "Aufklärung" nennst, sei automatisch geistig weiter als das, was die RKK damals vertrat. Natürlich sieht man es aus heutigem (anthropozentrischen) Prisma so, aber auch da muss man kritisch sein, wenn man dass über das Anthropozentrisch-Aufklärerische Hinausgehende berücksichtigen will.
Du bist doch immer derjenige, der auf der Aufklärung herumreitet. "Ich bin aufgeklärt. Du bist nicht aufgeklärt!" und ähnliche Spielchen von Dir. Ich sehe das nüchterner: Für mich ist das einfach eine Epoche, mit ihren positiven, aber auch sehr vielen negativen Seiten – nicht mehr und nicht weniger. Ich sehe das nicht normativ und bleibe bei den objektiven historischen Entwicklungen.
Und die Nummer mit dem "anthropozentrisch" ist hier komplett daneben. Das Naturrecht ist "anthropozentrisch", gemäß Deines (fürchterlichen) Sprachgebrauchs. Da war nix
"credo quia absurdum" oder göttliche Offenbarung – grad im Gegenteil: Die menschliche Vernunft kann erkennen, über die Natur.
Whitehead z.B. nannte die Aufklärung ja "anti-intellektualistisch": Die rohen Tatsachen rückten in den Vordergrund. Man wollte weg von der unflexiblen Rationalität des mittelalterlichen Denkens. Na ja, stimmt zumindest für die Empiristen.
Also wenn man Deinen fragwürdigen Sprachgebrauch schon anwenden
muss, war die Veränderung eher von "theozentrisch-anthropozentrisch" zu "kosmozentrisch-anthropozentrisch". Rein theozentrisch wäre eher sowas wie der Islam, wo einfach alles aus der Offenbarung kommt und die Natur, und menschliche Vernunftüberlegungen über diese, ethisch nicht relevant ist.
Hiob hat geschrieben: ↑So 14. Jan 2024, 01:15
Das ist irreführend. Das real existierende Deutschland des 21. Jh. ist über alle Maßen unaufgeklärt. Zwar hat man super technische Möglichkeiten, aber geistig würde ich unsere Zeit vormittelalterlich einschätzen (von wirklich Gelehrten abgesehen, die es irgendwie zwischendrin natürlich noch gibt).
Und hierbei verwendest Du natürlich Deine Privat-Definition des Wortes "aufgeklärt", nicht wahr? Wie war das nochmal mit Neusprech?
Der aufklärerische Geist war der Scholastik, dem traditionellen Aberglauben (Hexen), der politischen Macht der Kirche, dem einfältigen Volksglauben (Heiligen- und Reliquienverehrungen, Wallfahrten etc.) feindlich gesinnt. Und davon findet man im Deutschland des 21. Jh. ... nichts. Zu Deinem "unaufgeklärt" kommt man also nur durch maßlose Begriffsverdrehungen.