Das sind hier nicht irgendwelche Details, sondern eine anachronistische Sicht auf Philosophen, die oftmals als Karikatur bei Dir enden. Was natürlich leichter passiert als bei anderen Geistesgrößen, da sich die großen Philosophen ohnehin schon auf einem schmalen Grat bewegten, wo ein Fehltritt auf beiden Seiten einfach nur Unsinn ist.Hiob hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 00:29 Das reicht nicht. Man muss auch verstehen,
a) was Descartes damit meint,
b) was es heute bedeutet,
c) was der Unterschied zwischen a) und b) ist.
Aber Du hast recht: Ich habe seit längerer Zeit keine philosophischen Texte mehr gelesen. Wenn man mal von der Antike bis zu Sartre einen Überblick gewonnen hat, ergibt sich daraus ein Gesamtbild, das nicht erschütterbar ist durch "Auf Seite 287 hat er aber gesagt". Richtig ist, dass man immer bis zu einem gewissen Grad in seinem eigenen hermeneutischen Korridor bleibt, der, egal wie er sich verändert, immer verengt.
Deswegen habe ich doch geschrieben "wenn sie Schein wäre".Hiob hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 00:29 Ich begreife Dein Denken nicht.
Dass die Wahrnehmung das Ontische irgendwie abbildet, ist eine Vereinbarung, die Descartes auf seine Weise (gut!) begründet. Dass Wahrnehmung reiner Schein sei, wird meines Wissens in der abendländischen Philosophie nirgends postuliert (ist mir da was entgangen?), weshalb ich Dein Problem nicht verstehe. Es ging nie um das Postulat, Wahrnehmung sei nur Schein, sondern um die Feststellung, dass wir aus eigenen Möglichkeiten nicht unterscheiden können, ob Wahrnehmung ontische Abbildung oder SChein ist.
Dass wir nach eigenen Möglichkeiten nicht unterscheiden können, ob Wahrnehmung die Realität abbildet oder nicht, ist falsch.
Wenn Du ein Lotto-Los kaufst und ich Dir sage „Ich weiß, dass Du den Jackpot nicht knacken wirst!“, und Du ihn dann tatsächlich nicht knackst, dann habe ich das natürlich trotzdem nicht gewusst. Auch wenn man von wahrem, gerechtfertigten Glauben sprechen könnte, da die Wahrscheinlichkeit, dass ich Recht behalten sollte, natürlich sehr hoch war.
„Wissen“ muss eine solche Möglichkeit des Fehlers ausschließen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit 1 zu 100 Millionen beträgt, hätte es trotzdem sein können, dass Du den Jackpot knackst und ich am Ende falschliege.
Nun gehst Du aber hin und dehnst diesen vollkommen legitimen Einwand unendlich über seinen natürlichen Rahmen aus, indem Du (zumindest implizit) behauptest, dass man nur von Wissen sprechen kann, wenn man Fehler im Sinne jedes prinzipiell vorstellbaren skeptischen Szenarios ausschließen kann.
Das Problem besteht darin, dass nicht alles, was wir uns widerspruchslos vorstellen können, auch metaphysisch möglich ist. Bei 4 + 2 = 5 erkennen wir alle den Widerspruch. Aber Du kannst Dir (wahrscheinlich) vorstellen, dass man den Kreis quadrieren kann, obwohl dies nicht möglich ist, wie von Lindemann 1882 bewies. Den Widerspruch erkennt aber nur jemand mit tieferer mathematischer Bildung.
Und ebenso fehlt ein Argument, dass ein Genius Malignus oder andere skeptische Szenarien metaphysisch möglich sind. Eventuell sind sie es nicht, sie sind nur Konstrukte der Skeptiker, und dann sind diese Möglichkeiten des Fehlers eben ausgeschlossen.
Sicher, „eventuell“ klingt zunächst nicht sehr vertrauenerweckend. Macht man sich aber nur ein wenig Gedanken darüber, wird einem schnell klar, dass die Annahme, dass die Sinne uns eine äußere Realität vermitteln, keine willkürliche Annahme ist, und auch nicht nur bloßer Instinkt.
Im skeptischen Szenario gilt: Wer oder was auch immer, sei es Dämon oder Matrix, „die scheinbare Welt, die erfahren“ produziert, muss die Koordinaten (x, y, z) der Pseudo-Positionen aller Objekte „speichern“ und verarbeiten, und darauf achten, dass sich zwei Objekte nicht an der gleichen Pseudo-Position befinden. Es ist eine Regularität, die sich durch nichts erklärt im skeptischen Szenario, während sie sich unter Annahme der realen Welt problemlos auf die Eigenschaften der Materie zurückführen lässt.
Daher ist die Unterscheidung nach jedem normalen Verständnis der Begriffe eben schon möglich.
Natürlich lässt sich Dein Spiel ad Infinitum weitertreiben:
„Du weißt nicht, dass X.“
„Du weißt zwar X, aber Du weißt nicht, dass Du X weißt“
Etc.
Aber ich denke, wir haben jetzt alle das Schema erkannt, oder?
Nein, Instrumentalismus bedeutet, dass wissenschaftliche Theorien selbst keine tiefere Realität in der Natur widerspiegeln. Historisches Beispiel: Aus dem Determinismus der klassischen Physik konnte man nicht den Determinismus des Universums folgern.Hiob hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 00:29Erstens bin/war ich Wissenschaftler (wenn auch nur Geisteswissenschaftler), zweitens ist die Antwort auf die Frage, was Wissenschaft ist und was sie nicht ist, keine wissenschaftliche, sondern eine philosophische Frage, die man ziemlich objektiv beantworten kann.
Natürlich kann man instrumentalistisch rangehen (ich vermute, Du meinst damit "methodisch rangehen") - man muss es sogar. Das ist doch gerade der Sinn der Wissenschaft. Aber philosophisch muss man wissen (Wissenschaftler sollten es auch wissen), dass das, was die Wissenschaft "Fakten" nennt, aus einer Interaktion von Beobachtungen und Modell entsteht. Das heißt: Nicht alles, was wissenschaftlicher Fakt ist, muss deshalb ontisch relevant sein.
Die beobachtbaren Ergebnisse, also die Fakten, werden nicht infrage gestellt. Das ist der Unterschied zu Deinem „methodisch“, etwas, das wie so oft bei Dir ein Zerrbild einer echten, bekannten philosophischen Richtung darstellt.
Empirische Fakten sind nicht ontisch relevant? Oje.
Korrekt, weil sich die Wissenschaft manchmal irrt. Aber darum geht's Dir nicht. Dafür bräuchtest du auch ein konkretes empirisches Argument für den Einzelfall. Das hier ist einfach eine Folgerung Deines Radikalskeptizismus: alle wissenschaftlichen Ergebnisse könnten falsch sein und dürfen einfach so vernünftig angezweifelt werden.Es ist heute leider üblich, Wissenschaft und Naturalismus zu einem Ragout zu verrühren, was dem geistigen Laien glauben machen kann, Modellergebnisse seien automatisch ontisch wahr.
Dass das eine reine Kopfgeburt aus dem Elfenbeinturm ist, versteht sich von selbst. Nun gut, das ist natürlich kein Gegenargument für den Philosophen. Es ist aber eines, wenn man dann plötzlich, wie Du, mitten auf dem Wege nichts mehr von philosophischer Strenge wissen will. Dann hätte man ja gleich beim gewöhnlichen Denken bleiben können.
Wenn das Ontische irgendwie auf uns einwirkt, muss das Modell davon wenigstens dazu ausreichen, einigermaßen erfolgreich darin zu navigieren.
Leg Palästinensern und Israelis die gleichen Medien-Berichte vor: sie halten sie gegen ihre Gruppe voreingenommen. Das ist ein empirisch gut nachweisbarer Effekt. Insofern muss man hier vorsichtig sein. Vor allem wird "die Medien" oft auf das persönliche Hass-Medium (Springer, Spiegel, ÖRR) reduziert.Hiob hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 00:29 Ich kenne west-orientierte Deutschrussen, die regelmäßig gucken und bspw. regelmäßig beklagen, dass westliche Übersetzungen verfälschend sind ("Warum macht man das - das haben wir doch nicht nötig"). Trotzdem: Wir sind uns einig, dass die offiziellen Russland-Medien staatlich gesteuert sind. Die westlichen Medien sind NICHT staatlich gesteuert, aber oft narrativ-versklavt. Durchaus auch mit dem Ergebnis, dass Narrativ-Widriges schnell als "extremistisch" oder "verschwörungstheoretisch" bezeichnet wird.
So oder so: es ist ein großes Gut, dass wenigstens grundlegende Fakten ihren Weg an die Öffentlichkeit finden. Ja, viele Leute meinen: eindeutiges Lügen wäre nicht problematischer als subtilere Manipulation. Hab ich nie verstanden. Denn wer lügt, der manipuliert immer auch, in den Fällen wo er ohne Lüge sein Ziel erreicht.
Die Neigung zu narrativem Denken (das in seiner Extremform Zwangsstörungen zugrunde liegt) hat natürlich mit der Polarisierung zugenommen.
Das beschränkt sich ja nicht bloß auf die Medien, all die Institute, ThinkTanks, Foundations, Lobby-Vereinigungen etc. Die Menschen bekommen schnell ein Gefühl der Ohnmacht gegen dieser geballten PR-Macht, und denken dann: Das kann ich auch.
Statt Widerlegung von Narrativen: neue Narrative. Vom Steinmeier'schen "Wir" zu den "30 % Bullshit-Jobs + Wertabschöpfung" von Wagenknecht.
Ich denke, das kannst Du besser …Hiob hat geschrieben: ↑So 17. Mär 2024, 00:29Aus meiner Sicht ist dies eine propagandistische Sache. Aus irgendeinem Grund will man Bucha nicht als ukrainisches My Lai verstanden wissen - dann kommt halt so was raus. Sorry, das ist normal bei den großen Jungs, also da, wo Staaten und Dienste die Zügel halten. Es wäre mal ein schönes Dissertationsthema, den Umgang mit Kriegsverbrechen damals in Vietnam und jetzt in der Ukraine zu vergleichen.
Das Problem ist, dass es hier nicht um Pentagon vs. russisches Verteidigungsministerium geht, sondern um die Medien. Klar haben sich die westlichen Medien damals nicht mit Ruhm bekleckert. Aber muss ich Dir wirklich die Unterschiede zu den russischen erklären?
Butcha wird von russischen Staatsmedien geleugnet, unabhängig von allen Belegen, die existieren und existieren werden. Es ist keine "voreingenommene Skepsis".
Und sie werden es leugnen und leugnen, solange Putin an der Macht ist. Auf eine Art und Weise, die eine Beleidigung der menschlichen Intelligenz darstellt.
In russischen Medien gibt es keine Korrektur, und der wahrhaft einfältige mag denken: weil alles 100 % korrekt ist
Lies doch mal Medien aus nicht-westlichen Staaten. Z.B. Uruguay, eine nicht-westliche Demokratie, das deckt sich mit europäischen-amerikanischen Medien – halt ohne den gewissen Spin.