Helmuth hat geschrieben: ↑So 27. Okt 2024, 08:06
Den Gedanken habe ich auch schon gehabt. Es soll für sie als unrein gelten heißt alos nicht, ein Schwein wäre per se unrein. Der tiefere Sinn dieser spezifischen Enthaltung erschließt sich mir in dem Fall zwar nicht, und ich versuche auch keine bloß menschliche Erklärungsversuche, aber genau so hat es JHWH für Israel angeordnet:
3. Mo 11,26 hat geschrieben: Jedes Tier, das gespaltene Hufe, aber nicht ganz gespaltene Hufe hat und nicht wiederkäut: Unrein sollen sie euch sein; jeder, der sie anrührt, wird unrein sein.
Dass Gott den tieferen Sinn nicht ausdrücklich erklärt hat, ist natürlich früh bemerkt worden. Moses Mendelssohn soll dazu dies gesagt haben :
"Man soll nicht sagen 'Ich möchte kein Schweinefleisch essen' [weil ich es nicht leiden kann], sondern man soll sagen 'Ich würde diese Dinge gern tun, aber mein Vater im Himmel hat anders darüber befunden." "Der Nutzen, den man aus vielen unerklärlichen Gottesgesetzen ziehen kann, liegt in ihrer Ausführung, und nicht im Verständnis ihrer Motive."
Quelle :
http://www.payer.de/judentum/jud504.htm
So kann man sich zwar für loyal halten, aber mit echter Einsicht hat das gar nichts zu tun. Wenn das Verständnis aus dem Befolgen käme, so hätten die Juden es ja späteren Generationen nachliefern können.
Als ich vor über 20 Jahren auf dieses Zitat von Moses Mendelssohn stieß, war ich lange Zeit von seiner Richtigkeit überzeugt, denn die Aussage hatte für mich was Erhabenes. Schließlich hatte sie ja auch ein altehrwürdiger Jude geäußert und als solcher musste er es schon wissen. Lass es mal fünf Jahre oder etwas mehr her sein, als mir Zweifel daran kamen. Und zwar weil mir die Aussagen zur Unreinheit und "Gemeinheit" im NT immer mehr Schwierigkeiten diesbezüglich bereiteten. Das mit der vermeintlichen Unreinheit scheint eben keine objektive Tatsache zu sein, deren Aussagen man einerseits deskriptiv verstehen soll, wovon sich dann aber ein normatives Verständnis abzuleiten hätte.
Dass Gott keinerlei Erklärung über die Hintergründe abgibt, dennoch aber über die Maßen Pingelig ist, lässt für mich daher nur den Schluss zu, dass er zunächst auf ein Allgemeinwissen einer primären Hörerschaft setzt. Gott muss ihnen gar nicht erklären oder auflisten, was unrein ist. Das wissen die schon selber gut genug. Es gab einen breiten traditionellen common sense diesbezüglich, der sich aus verschiedenen kulturellen und weltanschaulichen Gründen gebildet hatte. Nur ist das mit dem common sense eben schwierig, wenn man sich für rechtliche Konsequenzen darauf berufen will. Das ist heute noch genau so schwierig. Gott hat den common sense der damaligen Israeliten kodifizieren lassen. Jetzt wurde formell fixiert, was sowieso jeder dachte und fühlte. Ihr ekelt euch vor Schweinefleisch ? Ihr kennt den Grund selber. Ihr ekelt euch vor anderen, die Schweinefleisch essen ? Auch das den Grund kennt ihr. Also tut nicht mal in Ausnahmefällen, was ihr für abscheulich haltet. Wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet. Alles nun, was ihr wollt, daß die Leute euch tun sollen (sie sollen euch kein Schweinefleisch anbieten), das tut auch ihr ihnen ebenso (verlangt von ihnen nichts, was ihr selber für unrein haltet); denn dies ist das Gesetz und die Propheten.
Der sicher nun folgende Einwand, das sei alles nur theologische und philosophische Spekulation, dem entgegne ich noch folgende Bemerkung :
Wer nun bestreiten will, dass es diesen common sense gab, der sich zufällig auch noch mit den mosaischen Speisegeboten deckte, der impliziert unweigerlich, dass sie vorher andere Geschmäcker hatten, was ihnen nun verboten wurde. Das wäre ebenfalls erklärungsbedürftig und keineswegs eine neutrale Position. Dann beweis man mir bitte, dass die frisch aus Ägypten ausgezogenen Israeliten zuvor Meeresfrüchte und Kriechtiere bevorzugt hätten. Neben Fisch schienen sie sich ja hauptsächlich nach dem Obst und Gemüse Ägyptens gesehnt zu haben und nicht nach Schweinen, Schakalen oder Löwen. Warum ist der Löwe nicht verboten, oder giftige Pflanzen ? Wahrscheinlich, weil die sowieso bei keinen Kulturen auf dem Speiseplan standen.
Helmuth hat geschrieben: ↑So 27. Okt 2024, 08:06
Wörtwörtlich finden wir kein Verb in dem Satz, somit ist es ein Präsens. Es steht dem Worte nach nur "unrein sie für euch". Ein "sind" (3.P. Mz.) müssen wir aber einfügen, sonst haben wir keinen deutschenn Satz, also:
"Unrein sind sie für euch". Dabei ist "sind" noch strenger als "soll sein", denn damit erklärt JHWH es zu einer Tatsache.
Der deutsche korrekte Satz ist aber kein exegetischer Maßstab. Aus einem nichtvorhandemem Verb leitet sich kein Präsens einer Aussage ab und schon gar kein Indikativ (=deskriptiv) gegenüber einem Imperativ (=normativ). Die Aussage hat weder die Objektivität einer Unreinheit als Prämisse, noch wird durch sie ad hoc eine normative Neuheit erzeugt. Viel mehr müsste der Satz performativ zu verstehen sein. Es wird hier eine schon vorhandene Bewertung aufgegriffen und nun für rechtsgültig und verbindlich erklärt.
Helmuth hat geschrieben: ↑So 27. Okt 2024, 08:06
Die Leseart lässt eindeutig zu, dass es nur für sie, das sind die Iraeliten, gilt, es sagt nicht aus, dass damit z.B. das Schwein gemeint ist. Ein Schwein ist ein Schwein, aber wenn ein Israelit Schweinefleisch isst, dann wird er unrein.
Er hat damit eine Tatsache geschaffen, denn das zweite "wird unrein sein" ist korrekt als Futurum übersetzt und bestätigt die Tatsachenaussage. Also, es ist nicht das Schweinefleisch, dass unrein geworden ist, sondern der Mensch.
Es wird aber keine naturwissenschaftliche bzw. biologische oder chemiche Tatsache geschaffen, sondern ein juristischer Gegenstand.
Helmuth hat geschrieben: ↑So 27. Okt 2024, 08:06
Und meine Logik sagt mir: Wäre es das Schwein selbst, das unrein wäre, dann könnte es unmöglich für Heiden kein Problem sein. Womit Paulus auch übereinstimmt:
Röm 14,14 hat geschrieben: Ich weiß und bin überzeugt im Herrn Jesus, dass nichts an sich selbst unrein ist; nur dem, der etwas für unrein erachtet, dem ist es unrein.
Ob das für Heiden ein Problem war oder nicht, spielt innerhalb des Gesetzes keine Rolle. Paulus sagt auch :
1. Korinther 10,27 Wenn aber jemand von den Ungläubigen euch einladet, und ihr wollt hingehen, so esset alles, was euch vorgesetzt wird, ohne zu untersuchen um des Gewissens willen.
Was aus Gastfreundschaft oder Fürsorge, also aus Nächstenliebe angeboten wird, das ist rein. Wenn der Gastgeber nur ein beschränktes Angebot hat, oder auf die Wünsche der Gäste Rücksicht nehmen kann oder will, dann ist beides ok. Man soll ihn nicht beschämen oder zurückweisen.
Helmuth hat geschrieben: ↑So 27. Okt 2024, 08:06Und in unserem Fall ist es JHWH, der einen Israeliten für unrein erachtet, falls er nicht "kosher" gemäß der Thora isst. Also Ihm, Gott selbst, ist dieser dann unrein, es ist wieder nicht das Essen an sich. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass sich Jesus daran gehalten hatte, da er als Jude gleichfalls unter dem Gesetz stand.
Jesus wurde nun mal auch in Sitten, Gewohnheiten und vorhandemem Angebot hinein geboren und sozialisiert und daraus wird sich auch sein persönlicher Geschmack geformt haben. Wir erfahren aber nichts darüber, ob er unkoschere Speise zu sich nahm bzw. sie angeboten wurde. Es wird nur gesagt, manche hielten ihn für einen Fresser und Weinsäufer. Dass er die Speisegebote kannte, sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie er über exotischere Angebote empfand.