Hiob hat geschrieben: ↑Do 9. Dez 2021, 23:53Natürlich ist auch Descartes' Ansatz ein angreifbarer. Deshalb stelle ich das "Welche Voraus-Setzungen von Denksystemen sind ontisch authentisch? Wir wissen es nicht" voraus. - Mit anderen Worten: Weder Descartes noch ich können Anatta widerlegen. Aber genauso wenig können Anatta-Anhänger den "wohlwollenden-Gott-Ansatz" widerlegen.
Mit diesem Begriff “ontisch authentisch” setzt du voraus, es gäbe eine Vergleichs-Relation (eine Art Spiegelung oder “in-Deckung-bringen”) zwischen “dem Sein” und Überzeugungen (Denksystemen).
Damit kann ich nichts anfangen.
Angenommen wir hätten einen Würfel, der nach genauer Untersuchung sehr symmetrisch ist und dessen Schwerpunkt sich präzise in der Mitte befindet. Wir folgern: “Die Wahrscheinlichkeit mit diesem Würfel eine 6 zu werfen ist 1/6”.
Aber “Wahrscheinlichkeit” bedeutet, dass es auch immer anders laufen könnte. Es ist bloß eine Tendenz der Möglichkeiten. Entweder die Aussage hat keinen Wahrheitswert. Oder wir müssen “das Sein” so aufblähen, dass selbst das rein Potentielle dazugehört.
Gott steht genauso wie "das Ding an sich" ÜBER dieser Diskussion.
Warum?
Schopenhauer sagt dazu:
Ding an sich bedeutet das unabhängig von unserer Wahrnehmung Vorhandene, also das eigentlich Seiende.
Ob man dies "Gott" oder sonst wie nennst, ist egal.
“Gott” ist das höchste Wesen, an den sich Hoffnungen der Menschen auf Erlösung, Friede und Gerechtigkeit knüpfen. Beim “Ding an Sich” wäre man da an der falschen Adresse.
Du sagst es:
Hiob hat geschrieben: ↑So 5. Dez 2021, 23:42
Und wenn es dann doch einen gibt, der Halluzinationen hat und weiße Mäuse sieht, ändert das vom Grundsatz her nichts daran.
Descartes wird (übrigens wie auch Kant) sehr unterschiedlich gesehen.
Das gilt für jeden Philosophen. Über manche Punkte besteht allerdings Konsens.
Descartes wertet die Natur als rein mechanistisch ab. Nicht-menschliche Lebewesen sind “res extensae” und damit bloße Automaten. Seine präferierte Methode ist, die Dinge in Einzelelemente zu zergliedern und rational zu analysieren – ganzheitliche Vorstellungen haben in seiner Philosophie keinen Platz.
Du magst diese Charakterisierung für tendenziös oder einseitig halten – ok. Aber wie kannst du
ERNSTHAFT sagen “Ich verstehe Descartes ziemlich
umgekehrt.” Hiob hat geschrieben: ↑Do 9. Dez 2021, 23:53
Immer wieder: Descartes zweifelt nicht die Außenwelt an, weil er an den wohlwollenden Gott glaubt.
Natürlich zweifelt er an der Außenwelt:
René Descartes: “Meditationen” hat geschrieben:Wenn ich aufmerksamer daran denke, sehe ich so unverhohlen, daß der Wachzustand niemals aufgrund sicherer Anzeichen vom Traum unterschieden werden kann, daß ich erstaune; und dieses Erstaunen bestärkt mich fast sogar noch in meiner Meinung, zu träumen.
Und er präsentiert diesen Zweifel als keineswegs tolerierbar; als ein Problem, das unbedingt einer Lösung bedarf.
Die Lösung, die er am Ende konstruiert, ist i. Ü. allen hinlänglich bekannt.
- Er weist nur nach, dass wir uns der ontischen Existenz der Außenwelt nur sicher sein dürfen, wenn wir diesen wohlwollenden Gott glauben (da wir es selber nicht nachweisen können - aus prinzipiellen Gründen).
Dieser Nachweis ist nichts wert. Denn Traum, Einbildung, Delirium, Wahnsinn, etc. sind allesamt Teil des menschlichen Lebens. Descartes weigert sich, eine Gemeinsamkeit zwischen sich und wahnsinnigen Menschen anzuerkennen – so wie heute Psychiatrie-Patienten die “anderen” sind . Stattdessen bemerkt er nur lapidar:
René Descartes: “Meditationen” hat geschrieben:das sind Geisteskranke, und ich erschiene mir selbst als nicht weniger verrückt, wenn ich irgendetwas von diesen als Vorbild auf mich übertragen würde.
In der Bibel dagegen kann Wahnsinn jeden überfallen. Und ganz im Gegensatz zu den cartesischen Konstruktionen geht er sogar manchmal von Gott aus. Als Prüfung oder Strafe. König Nebukadnezar ignorierte z. B. alle Warnungen und am Ende hielt er sich für ein Tier und lebte viele Jahre in der Wildnis.
Wer nun aber von Wahnsinn wieder zu einem Zustand geistiger Gesundheit wechselt, der ändert nicht nur seine Perspektive. Sondern er erkennt eben auch ganz genau, dass er
den Wahnsinn verlassen hat.
Egal – was bleibt ist: deine oder Descartes Konstruktionen sind irrelevant. Wir als Menschen müssen notgedrungen mit unserer Fehlbarkeit (bis hin zu Wahnsinn) fertig werden. Und das ist eine Frage der Charakterbildung (oder
phronesis).
Hiob hat geschrieben: ↑Do 9. Dez 2021, 23:53Du kommst aus der Spur, weil Du den Gedanken nicht verstanden hast.
Du hörst dich nach Dogmatiker an: wer widerspricht, hat nicht verstanden.
Hiob hat geschrieben: ↑Do 9. Dez 2021, 23:53Es geht darum, dass das Feld, das durch "Beobachtungen zur Wirklichkeit" und "Modell" definiert ist, kontrollierbar ist - man kann also INNERHALB dieses Feldes "unfehlbar" sein. - Aber das hat nichts mit einer Unfehlbarkeit in Bezug auf die Wirklichkeit zu tun - das ist dann kein geschlossener Raum mehr, also nicht mehr systemisch kontrollierbar.
Egal wie, wo, wann oder unter welchen Bedingungen – egal ob innerhalb irgendeines Feldes oder sonst etwas – kein Mensch ist unfehlbar, keine menschliche Institution ist unfehlbar.
Du kannst gerne versuchen, Fehler irgendwie zu kategorisieren. Na und? Warum ist eine Sorte Fehler weniger problematisch als die andere?
I. Ü. würde ich bezweifeln, dass diese Kategorisierung überhaupt möglich ist. Sagen wir, die Außenwelt ist “echt”… ist sie damit ein dreidimensionaler Raum? Steckt das bereits in dieser “Voraussetzung” drin? Oder ist es stattdessen Teil einer Schlussfolgerung (Inferenz)? Sehen oder fühlen können wir nur zweidimensional. Eine dritte Dimension ist sinnlich nicht unmittelbar wahrnehmbar.
Betrachtet man i. Ü. die historische Entwicklung der Mathematik oder der Naturwissenschaft, so bemerkt man doch, dass eine lange Zeit des Forschens der Formulierung der Axiome, Grundpostulate etc. vorausgeht. Es ist genau umgekehrt: die Axiome kommen zeitlich gesehen spät.
In was für einem “Feld” hat sich Galileo Galilei denn mit seinem Fallgesetz bewegt? Die Newtonsche Mechanik gab es noch nicht. Oder Laplace (“Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit”) – die Axiome der Wahrscheinlichkeitstheorie von Kolmogorov stammen aus dem Jahre 1933.
Mit deinen Unfehlbarkeits-Fiktionen und idealisierten Konstruktionen zäumst du das Pferd von hinten auf.