Michael hat geschrieben: ↑Sicher hast du schon den Namen Flavius Josephus gehört.
Ich habe diesen Namen nicht nur gehört, sondern sein Werk "Jüdischer Krieg" von ca. 70 n.Chr. (also nicht so sehr "Jüdische Altertümer" von ca. 90 n.Chr.) ist ein wesentlicher Bestandteil der von mir angesprochenen Quellenlage.
Insgesamt dachte ich mir schon, dass du nicht damit gerechnet hast, wie konkret meine Haltung ausfällt.
Damit du siehst, dass es hierbei nicht um absichtlichen Nicht-Glauben geht, möchte ich ein paar Details anbringen, die du vielleicht so noch nicht gehört hast.
Die Bibel erwähnt an wenigen Stellen die "Zeloten", erklärt aber nicht wirklich, was sich hinter diesem Namen befindet.
Auch die christliche Literatur der ersten Jahrhunderte enthält kaum mehr und vor allem enthält sie keinerlei Distanzierung.
Dies ist ein wesentlicher Aspekt, denn bei den Zeloten handelt es sich um eine Messias-Bewegung (nicht "Jesus"!).
Die Gründungsdaten und Gründungsumstände dieser Bewegung sind auffallend "bekannt":
Die damalige Situation in Judäa war ein jüdisches Volk mit massiven Problemen in Bezug auf die herrschenden Griechen-Juden -> Herodes-Clan. Herodes wurde gehasst und als Reaktion kam es wohl von Herodes aus zu einem Mordversuch an männlichen Juden (keine Kinder).
Es kam wohl zu zahlreichen Aufstandsversuchen, aber es fehlte die einigende (religiöse) Idee, so dass es letztlich zu keiner grösseren Flächenabdeckung gekommen ist.
Erst als es zu einer gewissen Volkszählung (!) kam und Rom Steuern erhob, wurde ca. im Jahre 6 n.Chr. die Bewegung der Zeloten gegründet.
Die nun einigende Idee bestand in der Vorstellung, dass "Gott" seinem auserwählten Volk über einen Messias beisteht, wenn sich dieses Volk besonders genau an "das Gesetz" hält und den Aufstand gegen Rom startet -> Gewalt.
Die Anführer der Zeloten hatten messianischen Anspruch und es kam mehrere Male zum "Einzug in Jerusalem" (z.B. Stichwort: Messias "Menachem")
Schau dir nur diese wenigen Daten (es sind lange nicht alle) genau an und beachte die Tatsache, dass die christliche Literatur keine Zeloten-Details enthält, aber das Vorhandensein von "Zeloten" durch wenige Namens-Erwähnungen grundsätzlich bestätigt.
Sollte es die "Jesus"-Messias-Friedens-Idylle gegeben haben, dann müsste sie innerhalb der flächendeckend verbreiteten Zeloten-Messias-Gewalt angesiedelt gewesen sein, aber niemand hat die Bewegungen sauber abgegrenzt.
Die Bibel (Neues Testament) enthält keine Distanzierung von den Zeloten und die Texte von "Flavius Josephus" enthalten nirgendwo die Erwähnung einer Liebes- und Friedensbewegung - welche ausserbiblischen Quellen sprechen überhaupt von einer Liebes- und Friedensbewegung?
In der Folge gibt die Bibel die Lage in Judäa in der behaupteten Aktivzeit von "Jesus" nicht korrekt wieder, erwähnt aber die Gründungsanlässe der Zeloten (nur halt ohne Zeloten), als Geburtsumstände von "Jesus".
Die Bibel nennt "Simon, der Zelot (genannt wird)" ohne weitere Angaben, dabei müsste sich dieser Zelot von der Gewalt distanziert haben und einen Messias-Wechsel vorgenommen haben - eigentlich eine klare gute Botschaft, aber sie fehlt.
In der Bibel steht nichts weiter als "Simon, der Zelot (genannt wird)". Die Bezeichnung "Simon, der Zelot" steht zwischen den sonst üblichen "XYZ, Sohn des ABC"-Namensnennungen.
Dieser "Simon" müsste also für den Leser ein bekannter Zelot gewesen sein. Der Gründer der Zelotenbewegung, ein gewisser "Judas der Galiläer", hatte zwei Söhne "Simon" und "Jakobus", die wohl auch messianische Ansprüche erhoben (letztlich gekreuzigt durch Rom).
Wenn es um "Christenverfolgung" durch Rom geht, sind aus christlicher Sicht immer nur Jesus-Messias-Anhänger verfolgt worden, man hört aber nichts von verfolgten Zeloten, dabei wurden sie als Messias-Anhänger (laut "Flavius Josephus") durch Rom verfolgt, gefoltert und gekreuzigt.
Die Zeloten haben hierbei das Märtyrertum ("Blutopfer", "Blutzeugen") bis zur Spitze getrieben, sodass selbst "Flavius Josephus" dies bewundernd erwähnt.
Die "Jesus-Passion" gab es quasi wirklich -> bei den Zeloten.
Die Jesus-Christen schätzen das Märtyrertum auch sehr, erwähnen aber nirgendwo, dass die Zeloten dies (zuvor schon) als Verhalten zeigten.
Es gibt faktisch in der Literatur keine Distanzierung und kein Nebeneinander von Jesus-Christen und zelotischen Messias-Anhängern.
Ich gehe davon aus, dass die Zeloten die Urchristen sind und dass sich die "Jesus"-Messias-Legende erst nach den apokalyptischen zelotischen Kriegs-Niederlagen, aus den flüchtigen Messias-Anhängern heraus entwickelt hat - durch den Kriegs-/Verlustschock (keine göttliche Unterstützung, Tempelzerstörung, Vertreibung aus dem "heiligen Land") und die Verfolgung mussten sie ihre gescheiterte Messias-Gewalt-Strategie ändern -> Liebe und Frieden rund um einen Messias mit göttlicher Unterstützung -> "Jesus"-Legende
Wer die Bibel in und auswendig kennt, kann nichts über Zeloten sagen, ausser dass er den Namen schon mal gehört hat.
Obwohl es um Messias-Anhängerschaft geht, stehen die Zeloten auch heute noch nur für "die Gewalt".
Für die heutigen Christen könnte man aus meiner Sicht vielleicht die folgende Ansicht vertreten:
- Durch den Liebes- und Friedensgedanken wurde ein neues Element ins Spiel gebracht (ein nicht-zelotisches Element), auf das sie ihr Hauptaugenmerk richten sollten.
- Insgesamt enthält die christliche Lehre aber auch die zelotischen Ansichten, die zelotische Vergangenheit, die letztlich zu Gewalt führen (der aggressive Stil in den "Paulus-Briefen" ist mir da sehr verdächtig).
- Wenn sich die Christen diesem Umstand bewusst stellen und vorsichtig mit den Bibelaussagen umgehen, dann kann jeder einzelne Gläubige im Privaten einen Nutzen daraus ziehen - da stimme ich zu.
- Geht es um Organisationen (z.B. Kirchen) wird es sehr schwer, das zelotische Erbe klein zu halten.
Insgesamt müssen wir dies tatsächlich nicht weiter ausführen.
Immerhin liegen nun die Karten offen auf dem Tisch und es kam nicht zu einer grossen Aufregung über viele Beiträge.
Michael hat geschrieben: ↑Der Rest ist dann deine Entscheidung Trotz allem viel Erfolg im weiteren Leben.
Ich ziehe meinen Hut davor, dass du den Beitragsaustausch auf eine vernünftige Ebene gezogen hast.
Danke, dir auch viel Erfolg...