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Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 16:20
von SilverBullet
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Die Existenz von Subjekt und Objekt ist keine "Tatsache"?
Die Einteilung der Welt in Subjekt und Objekt ist eine Tatsache - wir machen das.
Soweit OK.
Das Abbiegen auf Existenz ist aber problematisch, denn obwohl es eine Tatsache ist, dass wir die Welt in Objekte einteilen (also Objektzusammenhänge aufbauen), stellt sich die Frage, ob das dann auch wirklich unterschiedliche Existenzen sind.
Ich würde so sagen: es ist plausibel, die Effekte in der Welt in "Objekte" einzuteilen, aber über Existenz(en) kann man deshalb noch nichts aussagen.
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Das ist das Credo des Naturalisten - heutige Mehrheits-Religion.
Das ist Philosophie, da gehöre ich nicht dazu.
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Deshalb sollte man sich beschränken auf den Satz "Unter den Bedingungen der physikalischen Welt kann man nicht durch einen Tisch gehen".
Das mit dem Nicht-Durch-Einen-Tisch-Durchgehen-Können würde ich als vernünftige Zukunftsprognose einordnen.
Der explizite Bezug auf "unter den Bedingungen der physikalischen Welt" ist durchaus nett, aber solange gar kein anderer Bezug vorliegt und jeder von Haus aus mit der "physikalischen Welt" startet, kann man das einfach weglassen.
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Davon abgesehen: Nicht alles, was geistig erdacht ist, ist gut - aber manches ist eben gut, weil es qualifiziert über das Physikalische hinausweist. Wer aber überprüft dies? Geht nicht.
Schau mal genau hin:
wenn die Prüfung "nicht geht", woher kommt dann das "qualifiziert über das Physikalische hinausweisen"?
=> richtig: es ist nur ein Wunsch und nirgendwo eine Tatsache.
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Von Wieland stammt der Satz "Geist ist nicht beweisbar, aber das macht nichts - denn Geist erkennt sich gegenseitig"
Ich muss gestehen, dass ich von diesen Namen keinen Millimeter beeindruckt bin.
Schau es dir genau an: soll diese Aussage ein ernsthafter Ersatz für Tatsachen sein?
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Ja - aber auch ohne Philosophie gilt der Satz "Das, was wir als Tisch erkennen, 'IST' "
Wenn ich dein "IST" auf "das Vorliegen einer Weltsituation (zumindest aus Effekten)" beziehe, dann ist das korrekt, wir sind hier im Bereich "Tatsache".
Will man zu dieser Weltsituation herausfinden, was daran Existenz ist, und dazu Tatsachen erarbeiten, wird es schon ungleich schwerer.
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Darauf würde ich gar nicht kommen. "Wahrnehmung" ist ein individuelles, aber nicht aus sich heraus Wertendes. "Überzeugung" ist, wenn Du aus Wahrnehmungen Schlussfolgerungen ziehst und diese bejahst. Ich weiß echt nicht, wo Du geistig unterwegs bist.
Du beziehst hier den Begriff "Überzeugung" auf die Meinungsbildung, ich hingegen beziehe ihn auf Wahrnehmung, also weitaus elementarer.

Auch hier gilt wieder, dass wir gerne Wörter austauschen können, das wäre kein Problem.

Es geht mir darum, dass es in der Wahrnehmung zu fortgesetzten Reaktionen kommt, bei denen Zusammenhänge beibehalten werden (müssen) und nicht variiert werden (können).
Es ist sozusagen wie ein "Einrasten der Reaktion" (zumindest thematisch).
Z.B. werden bei den "schrägen Linien" Einzeleindrücke unter der "Überzeugung" verwaltet, "eine lange Schräge zu sehen".

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 17:52
von Traja
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 Hiob hat geschrieben: ↑Mi 24. Mai 2023, 10:35
Von Wieland stammt der Satz "Geist ist nicht beweisbar, aber das macht nichts - denn Geist erkennt sich gegenseitig"
Ich muss gestehen, dass ich von diesen Namen keinen Millimeter beeindruckt bin.
Schau es dir genau an: soll diese Aussage ein ernsthafter Ersatz für Tatsachen sein?
aber natürlich, ich erkenne hiob als mir ebenbildlich...du hast da probleme mit offensichtlich...abgesehen davon dass ich dir das schon mal im blauen forum erklärt habe :D

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 17:56
von Traja
ist ganz einfach, wenn wir der welt ausgeliefert und nur reaktion sind, was wäre für mich der anlaß, dein gelaber als argument anzuerkennen :lol:

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 18:07
von Spice
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20
Hiob hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 10:35Von Wieland stammt der Satz "Geist ist nicht beweisbar, aber das macht nichts - denn Geist erkennt sich gegenseitig"
Ich muss gestehen, dass ich von diesen Namen keinen Millimeter beeindruckt bin.
Schau es dir genau an: soll diese Aussage ein ernsthafter Ersatz für Tatsachen sein?
Das Zitat von Wieland kann man noch erweitern: Ohne Geist erkennen wir überhaupt nichts. Da sind wir bestenfalls ein Okular.

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 18:08
von Traja
ich verstehe das gar nicht, der naturalismus ist letztendlich nur eine variation des behaviourismus...und dieser wurde schon vernichtend kritisiert, mit richtigen argumenten 8-)

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 20:49
von Claymore
Hiob hat geschrieben: Sa 20. Mai 2023, 13:07
Claymore hat geschrieben: Sa 20. Mai 2023, 10:25 Das Problem ist, dass Du nicht erklären kannst, was "das, was ontisch 'ist'" denn nun bedeuten soll.
Erklären kann ich es schon: Es ist das, was der Fall ist, unabhängig von unserer Wahrnehmung.

WAS es konkret ist, KANN ich streng genommen gar nicht wissen, weil ich ja, wie jeder von uns, abhängig bin von meiner Wahrnehmung - völlig egal, ob diese emotional oder wissenschaftlich ist.
Das ist die alte Antwort.

Aber, "1 + 1 = 2" ist der Fall und unabhängig von der Wahrnehmung, und ist deswegen die 1, +, = und 2 ontisch? Für Platon war das der Fall. Du kamst dagegen mit "Erklärungen" wie "Chiffre für Sein", woher auch immer Du das weißt. Jedoch, nur weil Du eine Bezeichnung dafür hast, hast Du doch das Problem nicht gelöst.

Ich denke also nicht, dass Du erklären kannst, was die Formulierung "das, was ontisch 'ist'" bedeutet.

Es läuft entweder auf inkonsistente Definitionsversuche, inhaltsleere Paraphrasen oder eben Beispiele hinaus, die wieder auf die Wahrnehmung Bezug nehmen (wie Dein Beispiel mit den Vulkanen auf einem weit entfernten Planeten) - diese Beispiele erklären nichts, weil "das, was ontisch 'ist'" doch gerade keine Wahrnehmungsgröße sein soll.

Ein anderes Problem ist die Vergangenheit. Es ist der Fall, dass Napoleon zum Kaiser Frankreichs gekrönt wurde. So nehmen wir es zumindest an. Aber prima facie hat doch die Vergangenheit einen radikal anderen Seins-Status als die Gegenwart. Gehört Napoleon zum ontischen Sein?

Veränderung bedingt ein Werden aus der Vergangenheit, also dem Nichts. Parmenides zwickte das so sehr, dass er sich das Sein als statisch und unveränderlich vorstellte.
Aus Übung setzen wir das als "ontisch", was sich im Leben bewährt ("Ein Apfel fällt immer nach unten, wenn er sich vom Zweig löst"). Ich glaube sogar, dass die Gravitation tatsächlich eine ontische Größe ist. Insofern ist unsere Diskussion auf pragmatischer Ebene unnötig. Trotzdem sind es zwei Kategorien.
Einerseits postulierst Du harte Dichotomien wie Wahrnehmung vs. "ontisches Sein" und im nächsten Moment heißt es, das wäre doch alles nicht so gemeint gewesen - und du weichst die Dichotomie wieder auf.

Das kann man ad infinitum treiben. Zielführend ist was anderes.
Vergleiche es zum Verständnis mit dem Unterschied zwischen euklidischer und relativistischer Geometrie: In der cis-philosophischen Praxis spielt die relativistische Geometrie keine direkte Rolle, allerdings indirekt schon. Nur ein Beispiel: Man trägt heute "wissenschaftliche Nachweise" im Tabernakel vor sich her, wie dies Katholiken mit der Hostie machen, weil man "wissenschaftlich nachgewiesen" mit "ontisch wahr" gleichsetzt, was aus vielen Gründen falsch ist. Hier rächt sich, wenn man nicht über die Praxis hinaus denkt.
Ein wissenschaftlicher Nachweis ist auch "der Mond ist nicht aus Käse" und der sollte an anderer Stelle für Dich sehr wohl als "ontisch" gelten. Wer blickt da noch durch?

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 21:47
von Claymore
Hiob hat geschrieben: So 14. Mai 2023, 13:02 "Anthropozentrisch" heißt lediglich, dass ein Agens seine Maßstäbe letztlich nicht außer, sondern in sich sieht.
Seltsam, da kommt "Mensch" nicht mal mehr vor. Und dabei geht's doch um diesen. Wo sieht z. B. Gott die Maßstäbe - doch wohl in sich?
Hiob hat geschrieben: So 14. Mai 2023, 13:02 Meinst Du wirklich, dass das, was man heute "mainstream" nennt, NICHT anthropozentrisch ist, und dass dieser Mainstream die Ich-Bezogenheit als Hybris verstünde?
Ähm ja, altbekannt seit 1860. :roll:

"Anthropozentrisch" bekam diese negative Konnotation, da man heutzutage die Sonderrolle des Menschen, die ihm in vielen althergebrachten Religionen und Philosophien zukommt, als Hybris betrachtet.

Z. B. gilt im Christentum der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Er ist die Krone der Schöpfung. Die ganze Schöpfung dreht sich um ihn - buchstäblich (geozentrisches Weltbild) wie metaphorisch (übernatürliche Mächte kämpfen um ihn).
1.Mose 1,28 hat geschrieben:... und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!
Für Feuerbach projizieren die Menschen ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte auf die Gottheit, die dann entsprechend anthropomorph dargestellt wird - was in der Menschwerdung Gottes gipfelt.
Hiob hat geschrieben: So 14. Mai 2023, 13:02
Claymore hat geschrieben: Sa 13. Mai 2023, 21:04 Aber Dein Verständnis von "anthropozentrisch" ist ja nur ein Optimismus bzgl. des menschlichen Erkenntnisvermögens und eine Ablehnung der spekulativen Metaphysik.
Nein - das geht jetzt vollkommen vorbei. Denn die spekulative Metaphysik ist doch genau die Alternative zum Anthropozentrismus.
Nochmal lesen bitte. Ich hab das entscheidende Wort farblich hervorgehoben.

Der Kontext war übrigens:
Claymore hat geschrieben: Sa 13. Mai 2023, 21:04 Aber Dein Verständnis von "anthropozentrisch" ist ja nur ein Optimismus bzgl. des menschlichen Erkenntnisvermögens und eine Ablehnung der spekulativen Metaphysik. Also Teil des humanistischen Programms. Nur "humanistisch" fehlt die negative Konnotation, und deswegen verwendest Du es nicht... ist es nicht so?
Und, was ist Deine Antwort? Oder anders gefragt: Was ist denn für Dich der Unterschied zwischen "anthropozentrisch" und "humanistisch"?
Hiob hat geschrieben: So 14. Mai 2023, 13:02Aber doch nicht, weil sie den Mensch in den Mittelpunkt gestellt hätten - das ist nach wie vor "Gott". - Der Unterschied zwischen Kant und Darwin liegt darin, dass Kant das geistige Wesen des Menschen thematisiert hat und Darwin die Natur.
Weder Kant noch Descartes zeichnen sich durch besondere Bescheidenheit aus. Der Verdacht besteht also, dass Gott hier als ein Feigenblatt dient.

Ein Herrscher wird immer sagen, dass er sein Land in den Mittelpunkt stellt, klar, aber das ist oft kaum davon zu trennen, dass er sich selbst in den Mittelpunkt stellt.
Jetzt kannst Du natürlich die Formel aufstellen "Beschäftigt sich mit Erkenntnis, Vernunft, etc. des Menschen = anthropozentrisch" - aber das ist halt ein bisschen schwach, wenn man unter "anthropozentrisch" versteht, dass der Mensch sich zum Mittelpunkt dessen macht, was der Fall ist. Genau das machen Descartes und Kant eben nicht.
Kant lehnte die spekulative Metaphysik bekanntlich ab: Konzepte wie z. B. Kausalität lassen sich nur in der Sinnenwelt anwenden und nicht darüber hinaus. In der Sinnenwelt dreht sich jedoch alles um den Menschen, das ist doch gerade die "kopernikanische Wende" - die Dinge kreisen um den menschlichen Verstand.

Aber die menschliche Vernunft kann diese empirische Welt nicht transzendieren. Und so sind auch alle klassischen Gottesbeweise ungültig.

In der Ethik nun ist das Gesetz in uns - das berühmte Zitat, so zu finden auch auf der Kant-Gedenktafel in Königsberg:

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.

Wir Menschen müssen autonom sein, um wirklich frei zu sein. Selbst-Gesetzgeber durch unsere Vernunft.

An Stelle der metaphysischen Gottesbeweise setzt Kant nun seinen moralischen Gottesbeweis. Es ist gemäß der praktischen Vernunft geboten, Gott und Seele anzunehmen, damit das Ziel unserer Ethik realisiert werden kann. Denn im Diesseits obsiegt immer wieder das Schlechte.

Der Mensch ist also ins Zentrum gesetzt. Er ist der absolute Ausgang, er bestimmt das moralische Gesetz - und der Rest ist peripher.

Gott ist nur eine Folgerung der praktischen Vernunft. Ein Mittel zum Zweck.
Und natürlich ist für Darwin der Mensch ein Trockennasenaffe, der zu 99% dieselbe Genetik hat wie ein Schimpanse. Klar ist der Mensch unter diesem Aspekt ein Viech unter vielen. Trotzdem gibt es nicht im geringsten einen Widerspruch zwischen denen, die Du "anthropozentristisch", und denen, die Du "naturalistisch(?)" nennst, weil dies komplett unterschiedliche Kategorien sind.

"Kant beschäftigt sich mit dem Menschen als geistige Erscheinung" - das kann man als "anthropozentrisch" bezeichnen, wenn man es mit Darwin vergleicht. Vergleicht man Kant mit Sartre, ist Kant das pure Gegenteil von anthropozentrisch.
Natürlich gibt es anthropozentrische Philosophen des 20./21. Jahrhunderts. Aber das ist doch nicht die Regel. Tendenziell ist unsere Zeit weniger anthropozentrisch, verglichen zumindest mit den Exzessen in der Aufklärung.
Selbst wenn Du historisch mit Deinen Aussagen recht hast, wie und wo dieser Begriff entstand, bringt das nichts in einer inhaltlichen Diskussion, weil dort die Substanz "anthros + zentrik" entscheidend ist.

Um Dir entgegenzukommen: Im Vergleich zu den Jahrhunderten ist Descartes tatsächlicher "anthropozentrischer", weil die sog. "Aufklärung" ja den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Im Vergleich zum 19. Jh. ist Descartes dagegen theozentrisch, weil er nicht den Menschen, sondern Gott in den Mittelpunkt von allem stellt. Insofern würde ich Begriffe nur kontext-bezogen verwenden.
Descartes ist, was Ethik und Teleologie angeht, der anthropozentrischste Philosoph überhaupt. Diese Aspekte stellen alles andere in seiner Philosophie in den Schatten. Da gibt's nichts mehr zu relativieren.
Hiob hat geschrieben: So 14. Mai 2023, 13:02Der Gegenpol zu "anthropozentrisch" ist "theozentrisch". Dass sie tierschutzmäßig nicht auf dem neuesten Stand waren, ist ein eigenes, aber kein philosophisch entscheidendes Thema.
Es ging hier darum, dass
  • der Mensch als Ziel und Sinn des ganzen Universums angesehen wurde
  • Ethik sich nur um Menschen und menschliche Interessen drehen sollte
  • Tiere vollkommen wertlos galten, nicht mal zur Empfindung fähig
- und das ist sehr wohl alles philosophisch entscheidend.

Dass Descartes Tiere bei lebendigem Leib sezierte, war halt die direkte Folge dieser Hybris. Es beweist, dass er von seinen Thesen tatsächlich überzeugt war.

Das ist Anthropozentrismus, maximal, und Deine Versuche, das nun durchs Umdefinieren des Wortes zu retten, sind nur albern.

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 22:52
von Hiob
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 die Effekte in der Welt in "Objekte" einzuteilen, aber über Existenz(en) kann man deshalb noch nichts aussagen.
Richtig - so mache ich das pragmatisch (!) auch.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 Das ist Philosophie, da gehöre ich nicht dazu.
Du magst kein Philosoph sein, aber Du hast eine Weltanschauung, bist als Gegenstand der untersuchenden Philosophie.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 Der explizite Bezug auf "unter den Bedingungen der physikalischen Welt" ist durchaus nett, aber solange gar kein anderer Bezug vorliegt und jeder von Haus aus mit der "physikalischen Welt" startet, kann man das einfach weglassen.
Heute ja, weil unsere Zeit geistig bildungsfern ist.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 wenn die Prüfung "nicht geht", woher kommt dann das "qualifiziert über das Physikalische hinausweisen"?
Das sind geistig anspruchsvolle Anschauungen, die den Rahmen wissenschaftlicher Methodik überfordern.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 soll diese Aussage ein ernsthafter Ersatz für Tatsachen sein?
Darum ging es nie. Geist ist nicht Ersatz für das, was Du "Tatsache" nennst. Da fragt gar keiner danach.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 Will man zu dieser Weltsituation herausfinden, was daran Existenz ist, und dazu Tatsachen erarbeiten, wird es schon ungleich schwerer.
Sogar unmöglich, weil der Unterschied dessen, was Du "Tatsache" nennst, in Abhängigkeit der Einschätzung des Menschen ist, was bei "Sein" vollkommen ausgeschlossen ist.
SilverBullet hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 16:20 Es geht mir darum, dass es in der Wahrnehmung zu fortgesetzten Reaktionen kommt, bei denen Zusammenhänge beibehalten werden (müssen) und nicht variiert werden (können).
Ja, schon - so was gibt es. Du wirst (hoffentlich) keinen Philosophen, der der Existenz solcher Fälle widerspricht.

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 23:11
von Claymore
Hiob hat geschrieben: Di 23. Mai 2023, 23:50
SilverBullet hat geschrieben: Di 23. Mai 2023, 19:17 Na, um deine Wahrnehmung "zurückzustellen" musst du ihr aber zuerst eine Eigenstellung andichten.
Da bedarf es keiner Dichtkunst - es ist unabwendbar. "DEINE Wahrnehmung" ist eine andere Ebene als "DIE Welt". Du kommst mir vor wie ein Naturalist, der das, was man methodisch objektiv wahrnimmt, als ontisch bezeichnet. Warum überhaupt philosophieren, wenn man eh nur pragmatisch von der Hand in den Mund lebt?
Philosophie ist doch die Liebe zur Weisheit, und zwar die Suche danach. Welcher der Weise nicht mehr bedarf, und der völlig Ignorante für unnütz hält.

Glaubst du, deine Einlassungen, die immer um den gleichen Punkt kreisen, nämlich, dass wir die Welt durch unseren Menschenkopf wahrnehmen, und man sich eine Welt jenseits dieses Filters vorstellen kann - glaubst Du, dass das etwas mit Weisheit zu tun hat?

Re: Logik und Erkenntnis

Verfasst: Mi 24. Mai 2023, 23:34
von Hiob
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 20:49 Aber, "1 + 1 = 2" ist der Fall und unabhängig von der Wahrnehmung, und ist deswegen die 1, +, = und 2 ontisch?
Dies ist eine Systemaussage auf Basis mathematischer Axiome - ich vermute, dass sie ontischen Charakter hat. Generell: Es ist doch Ziel jeglicher redlicher Methodik, dem Ontischen so nahe wie möglich zu kommen. Nur weiß man es halt strenggenommen nicht, weil es einen kategorialen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt gibt.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 20:49 Aber prima facie hat doch die Vergangenheit einen radikal anderen Seins-Status als die Gegenwart. Gehört Napoleon zum ontischen Sein?
Moment. Ontisch gibt es keine Unterscheidung zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Die Existenz Napoleons gehört zum historisch Sicheren - seine Gegenwart war halt in dem, was wir aus unserer Sicht Vergangenheit nennen. Ob man bei Erscheinungen, egal ob sie Napoleon oder Claymore heißen, überhaupt mit dem Begriff "ontisch" kommen sollten, zweifle ich an, weil wir an den beiden nur das erkennen, was wir wahrnehmen - also einen Ausschnitt von dem, was man Napoleon oder Claymore nennt.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 20:49 Parmenides zwickte das so sehr, dass er sich das Sein als statisch und unveränderlich vorstellte.
Streng genommen ist das richtig - allerdings muss man dann über das Zeitliche hinausdenken. "Sein" heißt nicht, dass Claymore mit dem Rauchen aufhört und sich das Sein deshalb ändern muss, sondern "Sein" ist die Gesamtheit dessen, was Claymore war, ist und sein wird. Wenn Du es kleinteilig willst, hast Du natürlich recht - deswegen würde ich hier nicht das Wort "ontisch" verwenden.

In der Praxis braucht man es eh nicht. Es macht allerdings Sinn, daran zu erinnern, dass es es gibt, weil dies die einzige Chance ist, NICHT anthropozentrisch zu denken und zu handeln.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 20:49 Ein wissenschaftlicher Nachweis ist auch "der Mond ist nicht aus Käse" und der sollte an anderer Stelle für Dich sehr wohl als "ontisch" gelten.
Ich würde heute bei solchen Beispielen gar nicht das Wort "ontisch" verwenden - das verquatscht nur die Sache.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Z. B. gilt im Christentum der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Er ist die Krone der Schöpfung. Die ganze Schöpfung dreht sich um ihn - buchstäblich (geozentrisches Weltbild) wie metaphorisch (übernatürliche Mächte kämpfen um ihn).
In der Heilsgeschichte geht es um die geistige Erkenntnis des Menschen, weshalb sich natürlich alles darum dreht - da spricht man nicht über Tiere oder Alpha Centauri. So, wie ein Onkologe über Krebs spricht und nicht über Steuererklärungen.

Wenn Du die Fokussierung auf den Menschen als "anthropozentrisch" verstehst, weil dies Fokussierung auf den Menschen hin geht, hast Du natürlich recht. Dann ist in der Tat auch Kant anthropozentrisch, weil er sich für das Wesen und die Möglichkeiten der menschlichen Vernunft interessiert. Aber das wird doch nicht dem Begriff "anthropozentrisch" gerecht - VIELLEICHT historisch, weil damals mal einer so gemeint hat, aber doch nicht philosophisch.

Philosophisch wird die Frage "anthropozentrisch oder nicht" allein über die Frage entschieden, ob jemand sich selber (direkt oder über Bande) oder etwas Höheres zum Maßstab dessen macht, was wahr ist. So gesehen ist Kant das pure Gegenteil von anthropozentrisch, und das Christentum sogar programmatisch - wir sprechen auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Für Feuerbach projizieren die Menschen ihre Ängste, Wünsche und Sehnsüchte auf die Gottheit, die dann entsprechend anthropomorph dargestellt wird - was in der Menschwerdung Gottes gipfelt.
Bei entsprechenden Grundbedingungen kann man das so sehen.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Was ist denn für Dich der Unterschied zwischen "anthropozentrisch" und "humanistisch"?
Das ist so was Ähnliches wie der Unterschied zwischen "ich bin Schweizer" und "ich wiege 120 kg" - völlig unterschiedliche Kategorien. Mögliche Fragen wären: Kann man humanistisch sein, wenn man Anthropozentriker ist? (Antwort: Ja, weil "Anthropozentrik" nichts darüber aussagt, ob er wohlwollend oder bösartig ist). Hier schwirren unterschiedliche Ebenen wild durcheinander.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Weder Kant noch Descartes zeichnen sich durch besondere Bescheidenheit aus. Der Verdacht besteht also, dass Gott hier als ein Feigenblatt dient.
Biografistisch geht immer, weshalb ich nur empfehlen kann, erst den Primärtext zu lesen und dann zu gucken, wer ihn geschrieben hat.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Aber die menschliche Vernunft kann diese empirische Welt nicht transzendieren. Und so sind auch alle klassischen Gottesbeweise ungültig.
Richtig. Das sagt aber nichts über die Qualität der meta-empirischen Welt aus. Heute neigt man tieffliegermäßig zum Satz: "Was nicht nachweisbar ist, ist nichtig", was in etwa auf dem Niveau steht "Ich mache meine Augen zu - siehst Du mich?".
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Kant lehnte die spekulative Metaphysik bekanntlich ab
Das habe ich anders gelesen. Ich habe verstanden, dass er den Versuch ablehnt, Metayphysik pseudo-vernünftig zu klassifizieren. Ich erinnere mich an einen Absatz, wo er sich sinngemäß darüber tierisch aufregt, dass Kollegen von ihm die Metaphysik methodisch in den Griff bekommen wollten (so ähnlich). UND: Du kennst seinen Satz, dass er das Wissen (also eine methodische Größe) aufgeben musste, um Platz für den Glauben zu haben. Kant sagt also zu seinen Kollegen: "Bleibt bei Euren Leisten".
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47Wir Menschen müssen autonom sein, um wirklich frei zu sein. Selbst-Gesetzgeber durch unsere Vernunft.
Sagt Kant das so? - Autonomie ist eigentlich Frucht einer Heteronomie, sonst ist es Anthopozentrik. Bei Augustinus verwenden manche den Begriff "augustinische Anarchie", was bedeutet, dass der Mensch aus sich heraus alles richtig macht und deshalb keiner Gesetzt (an-archie) bedarf. Das ist übrigens ein großes Thema bei Goethe und sowieso im Christentum. "Dein Wille geschehe" ist nicht die Vernichtung des menschlichen Willens (Autonomie), sondern dessen (hegelscher) Aufhebung - also eine Veredlung der Autonomie.
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47Descartes ist, was Ethik und Teleologie angeht, der anthropozentrischste Philosoph überhaupt.
Schwer zu vermitteln, wenn man weiß, dass Descartes ein bedingungsloser Theozentriker ist. Oder gehen beide Begriffe gleichzeitig?
Claymore hat geschrieben: Mi 24. Mai 2023, 21:47 Es ging hier darum, dass
der Mensch als Ziel und Sinn des ganzen Universums angesehen wurde
ERsetze "Mensch" durch "ebenbildliche Wesen", dann könnte es hinhauen. Aber eben nur dann, wenn man geistig begriffen hat, dass Heilsgeschichte nicht Teil der Geschichte und der physikalischen Welt ist, sondern umgekehrt Geschichte und physikalische Welt Teil der Heilsgeschichte sind. - Für einen "modern" Geprägten sind solche Gedanken undenkbar. Das stehen zwei Seiten mit komplett unterschiedlichen Voraus-Setzungen gegenüber.

A sagt zu B, dass er anthropozentrisch sei, weil er ontische Wirklichkeit gleichsetzt mit wissenschaftlich Nachgewiesenem oder zumindest Nachweisbarem.
B sagt zu A, dass er anthropozentrisch sei, weil er die physikalische Welt (Universum) nicht zum Maßstab des Denkens macht, sondern das Geistige in ihm.

Wie sagte Tucholsky? - "Jeder hat ja so recht". - Und das stimmt hier wirklich. Bei Deinen Voraus-Setzungen würde ich zu ähnlichen Ergebnissen wie Du kommen.